Alicia II
schelmisch mir. Mit streng professioneller Stimme erklärte June, sie wolle sehen, ob der Herr Doktor uns empfangen könne. Noch nie war sie so kurz angebunden mit mir gewesen, und ich war leicht gereizt. Sie meldete uns Ben.
Er sagte ihr, sie solle uns hereinschicken. Als wir durch die Tür gingen, flüsterte Alicia: »Diese Frau am Schreibtisch, das ist die, die mit Stacy zusammen war.«
Ben kam uns entgegen. »Du siehst aus, als hättest du einen Schreck gehabt«, sagte er. »Was hattet ihr beiden eben miteinander zu flüstern? Hallo, ich bin Ben Blounte. Sie müssen Alicia sein.«
»Das muß ich. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
Ben schüttelte ihr die Hand und hielt sie danach noch lange fest. Oder Alicia hielt seine Hand fest. Er faselte eine volle Minute lang – so kam es mir vor –, wie entzückend sie sei.
Dann setzten wir uns alle, und es herrschte ungefähr dreißig Sekunden lang Schweigen. Alicia und Ben wirkten selbstzufrieden. Ich weiß nicht, wie ich wirkte. Ben sprach als erster.
»Alicia, wollen Sie mich heiraten?«
»Wissen Sie, ich habe mehrere Eisen im Feuer. Wenn es mit einem davon nicht klappt, können wir nochmal darüber reden.«
Sie maß mich mit einem schlauen Blick. Ich bin überzeugt, Ben entging das nicht. Als er mich nun ansah, stand in seinen Augen ein wenig Scherz, etwas wie Sorge, obwohl er fortfuhr zu lächeln.
»Sollen wir jetzt zum Lunch gehen?« fragte ich.
»In einer Minute«, antwortete Ben. »Voss sagte, Sie hätten gewisse Verbindungen zu den Ausgemusterten.«
Alicia zögerte. Sie war zornig, weil ich ihr Vertrauen mißbraucht hatte. Aber als sie sprach, klang ihre Stimme beherrscht.
»Ich habe beruflich mit Ausgemusterten zu tun. Ich bin von der Regierung beauftragt, soziale Probleme zu untersuchen. In letzter Zeit habe ich sehr eng mit einer Gruppe der St. Ethel-Jünger zusammengearbeitet.«
»Wie ich hörte, gehören die radikalsten Aufrührer zu diesen Kreisen.«
»Es gibt Spekulationen in dieser Richtung, ja, aber ich selbst …«
»Sie wissen mehr, als Sie zugeben. Ich bin ein wenig in Kreisen von Ausgemusterten herumgekommen, wo St. Ethel oft angerufen wird, und das nicht immer aus religiösen Gründen. Zwei St. Ethel-Jünger, die ich kennengelernt habe, gehören wahrscheinlich zu einem Killer-Team. Was ist denn los, meine Liebe, es scheint Sie etwas zu beunruhigen.«
»Es … es ist nur, daß … daß Sie so bedenkenlos …«
»Ich spreche es aus, jawohl. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin geschützt. Fragen Sie Voss.«
»Darüber weiß ich nichts, Ben, und das ist dir wohlbekannt.«
»Ich hatte geglaubt, du würdest für mich lügen. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo du sehr schnell mit einer Lüge bei der Hand warst. Ihr beiden bringt mich eben dazu, bedenkenlos zu sein. Vielleicht ist es Zeit zum Lunch. Noch eins, Alicia, dies Restaurant, das wir besuchen wollen …«
»Ja?«
»Ich möchte, daß Sie sich dort ganz dicht neben mich setzen. Zweifellos werden ein paar Leute anwesend sein, die ich kenne und hasse. Es ist mein Club, wissen Sie.«
»Ich verstehe nicht.«
»Also, Sie setzen sich dicht neben mich, und diese Leute werden mich beneiden. Die bringen es nie fertig, neben einer solchen Vision der Schönheit zu sitzen.«
»Ihre Schmeicheleien sind ziemlich geschmacklos, Doktor.«
»Sicher. Hauptsache, Sie setzen sich neben mich.«
»Das werde ich tun.«
Er bot Alicia seinen Arm, um sie aus dem Büro zu führen, und sie nahm ihn. Einen Augenblick lang kam ich mir wie das fünfte Rad am Wagen vor, mit allen seinen Speichen. Noch schlimmer wurde es, als Ben June aufforderte, sich uns anzuschließen. Mit finsterem Blick nahm June meinen ihr gar nicht im Ernst angebotenen Arm. Ihre Berührung schien meine Haut durch mehrere Schichten Kleidung zu verbrennen.
Ob Alicia etwas von der Spannung während dieser Mahlzeit in Bens Club spürte? June, offensichtlich verdrossen, antwortete kaum, wenn sie angesprochen wurde. Ich, nervös bis dorthinaus, machte mir um jeden der drei anderen Sorgen.
Nicht einmal Ben war ganz er selbst. Er sprach zu energisch, und, Gott, er konnte von dem Thema »Ben« nicht loskommen.
Er, der sonst so zurückhaltend über seine eigenen Angelegenheiten war, erzählte Alicia einen beträchtlichen Teil seiner Lebensgeschichte. Mein Magen reagierte gereizt auf chemische Geschmackszusätze in bestimmten Speisen, und die ersten Wogen der Übelkeit stiegen in mir hoch. Ich entschuldigte mich und ging zur
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