Alicia II
Herrentoilette. Der Brechreiz hörte beinahe im gleichen Augenblick auf, als ich den Tisch verließ. Ich kehrte um. Ben redete immer noch. June starrte auf etwas an der anderen Seite des Raums. Alicia fing an, Ben zu erzählen, wie wir uns in Atlantica Spa kennengelernt hatten, und zeichnete ein komisches Bild von mir als unbeholfenem frisch Erneuerten. June lachte ein bißchen zu laut. Die Übelkeit kam wieder. Ich stand auf, entschuldigte mich und verließ Bens Club, ohne noch jemanden zu Wort kommen zu lassen.
13
Ich hatte mich auf meinem Weg von Bens Club zu unserm Hotel in solche Wut hineingesteigert, daß ich die Tür der Suite, die Stacy und ich uns teilten, mit mehr Gewalt als notwendig aufriß. Das Vorderzimmer der Suite war in Unordnung.
Kleidungsstücke waren über Möbel geworfen, drei oder vier Flaschen lagen herum. Die Schlafzimmertür stand offen, und ich konnte mich nicht bremsen, hineinzusehen. Stacy setzte sich im Bett auf und sah mich an. Neben ihm bewegte sich eine Frau. Ich drehte mich um, ging hinaus und lief noch einmal eine Stunde lang durch die Straßen. Als ich zurückkam, begegnete mir die Frau – oder eine Person, die ihr täuschend ähnlich sah – im Foyer. Sie erkannte mich nicht wieder, blickte nicht einmal in meine Richtung. Sie hatte ein sanftes Gesicht und einen fülligen, vollbusigen Körper. Obwohl sie ein ganz anderer Typ war, erinnerte sie mich an Mary, die Prostituierte, die mich vor so langer Zeit in Hough verraten hatte.
Wahrscheinlich lag die Ähnlichkeit mehr im Beruf und im Status als in Äußerlichkeiten.
Stacy räumte im Vorderzimmer auf, als ich die Suite wieder betrat. Er hatte sich angezogen. Seine Farbe für diesen Tag war Braun, und es war ein Schneideranzug.
»Ich bin nicht aufgebracht oder ärgerlich oder …« begann ich.
»Habe nichts dergleichen gesagt.«
»Ich wäre nicht so hereingeplatzt, wenn ich gewußt …«
»Richtig. Ich wieder habe geglaubt, du seist für den Nachmittag verabredet.«
»War ich auch. Es ist etwas passiert. Ich bin einfach weggegangen. Ich habe heute June Albright gesehen.«
»Du siehst sie für gewöhnlich, wenn du Blounte in seinem Büro aufsuchst.«
»Ja. Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Doch, ich weiß es. Ich wollte sehen, ob du darauf irgendwie reagierst, obwohl ich nicht begreife, wie ich etwas in der Art von dir erwarten konnte.«
»Das wird es gewesen sein.«
»Hast du June je mit hierher gebracht, wenn ich fort war?«
»Nein.«
»Wunderst du dich nicht, woher ich das von euch weiß?«
»Nein.«
»Stört es dich nicht, daß eins deiner Geheimnisse entdeckt worden ist?«
»Nein.«
»Natürlich nicht. Warst du oft mit ihr zusammen?«
»Ziemlich oft.«
»Ich hoffe, du behandelst sie gut. Tust du das?«
Er zögerte ein wenig, bevor er antwortete.
»Kann ich nicht beurteilen. Glaube schon.«
»Das will ich hoffen. Sie ist nicht so eine wie die Hure, die gerade weggegangen ist. Sie ist – ich meine, du kannst sie nicht behandeln, als ob …«
Ich suchte nach Worten, weil mir plötzlich auffiel, daß ich wie ein Spießer redete. Ich führte mich in Verteidigung Junes wie ein aufgebrachter Liebhaber auf.
»Hast du nicht gesagt, du seist nicht ärgerlich?« fragte Stacy.
»Bin ich aber doch.«
»Tut mir leid.«
»Ich weiß nicht einmal, über was ich mich ärgere. Diese Unordnung im Zimmer, diese Frau, die eine Kurzlebige ist, das habe ich ihr auf den ersten Blick angesehen. Sie ist …«
»Mach dir ihretwegen keine Gedanken. Ihr geht es um ihren Vorteil.«
»Ich weiß nicht. Heute ist irgend etwas schiefgegangen. Schon bevor ich nach Hause kam. Schon bevor ich zu Ben ins Büro ging. Es war eine Kleinigkeit, aber sie hat sich zu etwas Großem ausgewachsen.«
Stacy goß mir ein Glas voll und reichte es mir. Die Geste erinnerte mich an unsere gemeinsame Zeit auf Coolidge, wo er mir oft Dinge zugereicht hatte, bevor ich selbst wußte, daß ich sie brauchte.
14
»Du hättest zum Nachtisch bleiben sollen, Voss, Apfelkuchen, einfach köstlich, und so künstlich, daß keine einzige Kalorie darin war.«
»Hallo, Alicia.«
»Hmmm, war das eine überschäumende Begrüßung. Hallo, Alicia. Kriech in ein Loch, Alicia. Hör mal, ich warte nicht für jeden an Straßenecken. Ich hätte von einem dieser Wahnsinnskommandos umgebracht werden können.«
»Tut mir leid, Alicia.«
»Toll! Tut mir leid, Alicia. Explodiere, Alicia. Warum bist du uns weggelaufen?«
»Komisch, daß du das
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