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Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
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wahrscheinlich treu bleiben werde – Jesus, ist das richtig? Treu. Jedenfalls werde ich mir keine Liebhaber nehmen. Loyal, das ist das richtige Wort. Ich werde loyal sein. Das klingt gut und schrecklich romantisch, finde ich. Willst du wissen, wie viele Liebhaber ich bereits gehabt habe?«
    »Nein.«
    »Es ist mir peinlich. Du mußt es wissen, schon aus dem Grund, daß du es mir vorhalten kannst.«
    »Ich will es dir nicht vor …«
    »Zwei. Mehr nicht. Zwei Männer. Und das ist noch dazu lange her. Seitdem hat es bei mir geheißen: danke, nein. Ich könnte auf dem Rücken liegen, umgeben von …«
    »Schon gut. Aber strebe die Zahl drei an.«
    »Nein, ich will nicht. Na ja, wir werden sehen. Soll ich dir von den beiden Männern erzählen?«
    »Von welchen beiden Männern?«
    »Von meinen Liebhabern. Meinen früheren Liebhabern. Meinen Liebhabern vor dir. War das sentimental genug für dich? Ja, ich sehe, das war es. Aber sei guten Mutes, der Schmerz wird vorübergehen.«
    Schließlich erzählte sie mir von ihren Liebhabern. In einiger Ausführlichkeit. Absichtlich habe ich das meiste davon vergessen. Aber wir lachten viel. Und ich weiß noch ein paar der gemeinen Dinge, die sie über die beiden Männer sagte.
    »Ich frage mich …« begann ich später.
    »Was?«
    »Ich frage mich, ob ich über mein – wie soll ich es nennen? – mein Leiden nicht froh sein soll.«
    »Um alles in der Welt, warum sagst du das?«
    »Nun, indem ich nicht dein Liebhaber bin, entgehe ich der Demütigung, zu deinem Ex-Liebhaber zu werden und …«
    »Du Hurensohn!«
    »Wie du sie beschreibst, das ist, als würden sie wie Schmetterlinge aufgespießt und zur Schau gestellt.«
    Sie schlug mich, dann küßte sie mich. Wieder kam es nicht zu der Reaktion, die ich herbeisehnte. Und ich begann zu weinen. Ohne nach dem Grund zu fragen, küßte Alicia mir die Tränen fort und sagte, wenigstens sammeln wir Erinnerungen, deretwegen wir später sentimental werden könnten.
     

 
19
     
    Wir sahen Rosalies Andacht durch ein kleines Fenster zu, das hinter einem Schreibschrank verborgen war und den ganzen Raum überblickte. Es war Einweg-Glas, so daß die Versammelten uns nicht sehen konnten. Rosalie ging in einer wallenden roten Robe unter ihren Leuten umher, von denen einige auf Stühlen mit gerader Lehne saßen, während andere knieten oder lang ausgestreckt auf dem Holzfußboden lagen.
    Sie berührte sie leicht, bewegte oft nur die Hand über ihre Köpfe und sprach leise mit ihnen. Zwischendurch hielt sie eine lange Predigt über St. Ethel im Himmel. Sie nehme dort diejenigen Seelen in Empfang, die ihre lange Wanderung über die Erde beendet hätten, und trauere mit ihnen um die Seelen, die noch keinen Frieden gefunden hätten, weil ihre Körper immer noch lebten.
    »Du bist ja ganz hingerissen«, flüsterte Alicia.
    »Ich habe das Interesse eines Außenseiters an religiösen Angelegenheiten. Ich war einmal Katholik. Wir geben nie ganz auf.«
    »Ich war einmal zwei Tage lang Katholikin.«
    »Nur zwei Tage lang?«
    »Es war Sommer, und die Luft war schlecht, und die Katholiken hatten den angenehmsten Unterschlupf in der ganzen Stadt. Man konnte dort sitzen und sich gegen Kissen lehnen. Nicht sehr asketisch, aber eine Religion, die Kissen zur Verfügung stellt, könnte ich beinahe ertragen.«
    »An Kissen erinnere ich mich aus meiner katholischen Kinderzeit nicht.«
    »Ich vermute, es war etwas wie eine Erweckungsbewegung. Um einer sterbenden Religion neues Leben einzuhauchen, so in der Art …«
    »Immer wird behauptet, der Katholizismus sterbe. Das ist eine der Methoden, mit der sie ihn am Leben erhalten.«
    »Vielleicht, aber damals hätte ich mich beinahe bekehrt. Vielleicht waren die Kissen präpariert – daß sie Glauben oder Reue ausstrahlten, was gerade gebraucht wurde –, so wie es eine Zeitlang im Theater war.«
    »Ich war einmal in einer solchen Vorstellung.«
    Abwechselnd verhieß Rosalie Wunder und schüchterte ihre Gemeinde ein. Einmal schlug und trat sie zwei Kirchenmitglieder, die von anderen auf den Boden geworfen worden waren. Sie schienen dafür dankbar zu sein. Die Andacht endete damit, daß die Raumbeleuchtung matter wurde und dafür mehr Licht von der St. Ethel-Statue ausstrahlte. Aus verborgenen Lautsprechern erklang flotte Musik. Die Leute hatten es nicht eilig, die Kirche zu verlassen. Sie umringten Rosalie und neigten sich ihr entgegen. Langsam ließ sie den Blick wandern. Ich hatte den Eindruck, daß sie jede einzelne

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