Alicia
werde heute nacht meine Männer führen, und wir werden den MacGregors zeigen, wer Chef des MacArran ist. Ich lasse mich nicht mehr verspotten. «
Douglas lächelte. »Es tut gut, wieder mit Euch reiten zu können. «
Sie sah ihn eindringlich an. »Verrate niemandem unser Vorhaben. Niemandem! Hörst du? «
»Aye, ich habe verstanden. « Er drehte sich um und verließ den Garten.
Der Abendbrottisch bog sich förmlich unter den Speisen. Stephen betrachtete zunächst diese Fülle mit Mißtrauen, da Alicias schottischer Sinn für Sparsamkeit in der Regel nur spärliche Kost zuließ. Beim Essen lächelte sie ihm zu. Das war eine Überraschung; denn nach ihrer Auseinandersetzung am Nachmittag war er auf böse Blicke gefaßt. Vielleicht hatten sie seine Worte nachdenklich gemacht; vielleicht war sie bereit, ihm eine Chance zu geben.
Er lehnte sich im Stuhl zurück und strich mit der Hand über ihren Schenkel. Er lächelte, als er spürte, wie sie auf seine Berührung ansprang.
Sie wandte sich ihm mit halb offenen Lippen und warmen Blick zu. »Jetzt ist nicht der Ort oder die Zeit dafür«, sagte sie mit einem Hauch von Trauer in der Stimme.
»Dann komm mit mir auf unser Zimmer. «
Sie lächelte verführerisch. »Gleich. Doch erst versuche ein neues Getränk, das ich erfand. Es ist aus Wein und Fruchtsaft zubereitet und mit einem Kraut gewürzt. « Sie reichte ihm den Silberbecher.
Stephen achtete nicht auf das, was er trank. Alicia hatte ihn noch nie so angesehen wie eben. Sein Blut begann zu kochen. Ihre langen Wimpern senkten sich über Augen, die wie blaue Perlen leuchteten. Ihre Zungenspitze berührte ihre Unterlippe, und ein Schauer lief Stephen über den Rücken.
»Komm mit mir! « flüsterte er rauh und preßte ihre Hand. So sah sie also aus, wenn sie sich willig seinen Wünschen fügte! Doch ehe er das Kopfende der Treppe erreicht hatte, fühlte er sich schläfrig. Als sie die Tür des Schlafzimmers öffnete, konnte er die Augen kaum noch offen halten.
»Irgend etwas stimmt nicht mit mir«, flüsterte er, und selbst die Zunge wollte ihm nur mit Mühe gehorchen.
»Du bist müde, das ist alles«, sagte Alicia mitfühlend. »Du hast fast den ganzen Tag mit Tam geübt, und er kann einen Mann bis zur Erschöpfung antreiben. Komm, laß dir helfen! « Sie legte einen Arm um seine Taille und brachte ihn zu Bett.
Stephen brach darauf zusammen. Seine Glieder waren schwer, zu nichts zu gebrauchen. »Es tut mir leid. Ich… «
»Still«, sagte Alicia leise. »Du ruhst dich aus. Du wirst dich nach einem kurzen Schlaf viel besser fühlen. «
Stephen hatte keine andere Wahl, als ihren Rat zu befolgen. Der Schlaf überwältigte ihn.
Alicia blieb eine Weile stimrunzelnd über ihn gebeugt. Sie hoffte, sie hatte nicht zu viel von der betäubenden Droge in seinen Trank gemischt. Sie empfand ganz ungewohnte Gewissensbisse, als sie ihn so regungslos unter sich liegen sah. Doch sie mußte dafür sorgen, daß er sich heute nacht nicht störend einmischte. Es galt, den MacGregors zu beweisen, daß sie nicht ungestraft ihre Rinder stehlen konnten.
Sie wollte schon das Zimmer verlassen, als sie noch einmal zurücksah. Mit einem Seufzer zog sie Stephen die Stiefel aus. Er rührte sich nicht, fragte sie nichts, betrachtete sie nicht, verlangte nichts von ihr. Sie strich ihm eine Locke aus der Stirn und, einem plötzlichen Impuls folgend, beugte sie sich vor und drückte einen Kuß auf seine Wange. Dann trat sie mit rotem Gesicht vom Bett zurück, sich für ihre Torheit scheltend. Weshalb so viel Gehabe wegen eines Engländers?
Ihre Männer warteten schon mit den gesattelten Pferden. Sie schob ihren langen Rock über die Knie und schwang sich auf ihr Pferd. Es bedurfte keines Befehls. Die Männer folgten ihr schweigend über die Felsbrücke auf das Festland.
Douglas’ Informant hatte die Wahrheit berichtet. Es stand ein Überfall auf ihre Weiden bevor. Sie ritten so rasch, wie es die Pferde erlaubten, stiegen nach zwei Stunden aus den Sätteln und schlichen in den Wald hinein.
Alicia vernahm als erste den Tritt eines Mannes, der ihnen entgegenkam. Sie hob die Hand — das Signal für ihre Leute, anzuhalten. Dann eine kreisende Bewegung, und ihre Männer schwärmten zwischen den Bäumen aus, um die Rinderdiebe zu umzingeln. Nur Douglas blieb an ihrer Seite.
Als sie mit zuverlässigem Instinkt wußte, daß ihre Leute ihre Positionen eingenommen hatten, stieß sie einen schrillen Schrei aus, der die Rinder aufschreckte. Die
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