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Alicia

Alicia

Titel: Alicia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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am Seil und spürte, wie es sich straffte, als die Männer oben das Tau einholten. Sie sah mit gerunzelter Stirn Alex nach, der gegen einen Felsvorsprung prallte. Sein gebrochenes Bein würde noch eine Menge Püffe bekommen.
    Als Alex über ihrem Kopf schwebte, drückte sie sich gegen die Wand. Plötzlich fühlte sie sich schrecklich einsam, allein gelassen und furchtsam. Der Gedanke an Alex hatte sie von ihrer Angst abgelenkt. Doch nun hatte sie keinen Ansporn mehr für ihre Courage. Alex war in Sicherheit, und sie wünschte sich, sie säße bei Stephen, sein Arm um ihre Taille, ein wärmendes Feuer vor sich.
    Das Seil um ihre Taille straffte sich, und sie hatte keine Zeit mehr für solche Wunschträume. Doch selbst als sie mit dem Seil nach oben schwebte, die Hände fest um das Tauwerk gelegt, damit das Seil nicht zu tief in ihre Hüften schnitt, vermochte sie Stephens Bild nicht aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen.
    Und irgendwie kam es für sie gar nicht überraschend, daß Stephen und Tam es waren, die sie über die Klippe heraufzogen.
    Stephen streckte ihr seine Arme entgegen, faßte sie unter den Achseln und hob sie auf sicheren Boden hinauf. Er drückte sie an sich, daß sie glaubte, alle ihre Rippen müßten zerspringen; doch sie genoß diese Umarmung, war froh, nicht mehr allein zu sein. Er hielt sie von sich weg, ihr Gesicht zwischen seinen Händen, und betrachtete sie. Seine Augen waren dunkel und von tiefen Schatten unterlegt. Sie wollte ihm sagen, wie froh sie sei, ihn bei sich zu haben; doch sein Gesicht ließ diese Worte nicht zu.
    Abrupt lösten sich seine Hände von ihrem Gesicht und begannen, unpersönlich und leidenschaftslos ihren Körper abzutasten. Er warf sie über einen Arm und untersuchte ihre Beine. Sein Mund wurde schmal, als er die blutigen Stellen an Knien und Schenkeln befühlte. Ihre zärtlichen Gefühle für ihn verflogen. Wie konnte er es wagen, sie im Angesicht ihrer Männer derartig zu betasten.
    »Laßt mich los! « befahl sie.
    Stephen überhörte das. Er sah zu Tam hoch, der sich über sie beugte: »Ein paar Blutergüsse, ein paar Schnitte, doch nichts Besorgniserregendes. «
    Tam nickte und richtete sich aus der Hocke auf. Die Last von zehn Jahren schien von ihm abzufallen. Alicia stieß mit dem Fuß und wehrte sich gegen Stephens Hände. »Bist du mit deiner Begrapscherei fertig? « fragte sie hochmütig. »Ich will nach Hause. «
    Stephen drehte den Kopf, und sie sah nur zu deutlich, was ihn bewegte. Er war zornig — sehr, sehr zornig. Der Regen ließ ein wenig nach, und im Osten zeigte sich ein grauer Streifen. Sie setzte sich hoch und strengte sich an, sich aus seinem Griff zu befreien. »Ich muß mich um Alex kümmern. «
    »Alex ist bereits versorgt«, sagte Stephen mit zusammengepreßten Zähnen. Seine Finger schlossen sich fest um ihr Handgelenk. Er zog sie mit sich, als er aufstand. Er ging zu seinem Pferd und zog sie hinter sich her.
    »Ich befehle dir, mich sofort loszulassen«, sagte sie scharf, aber leise, weil ihre Männer in der Nähe standen.
    Er schwang herum und riß sie an sich. »Wenn du noch ein einziges Wort sagst, werfe ich dir das Hemd über den Kopf und versohle dir den Hintern, bis er grün und blau ist! Alex geht es im Augenblick besser als dir. Also fordere mich nicht noch mehr heraus. Hast du verstanden? «
    Sie reckte das Kinn in die Höhe und funkelte ihn an. Doch sie gab ihm keinen Anlaß, seine Drohung wahrzumachen. Er setzte sie so heftig in den Sattel, daß ihr die Zähne aufeinanderschlugen. Mit einem Satz war er auf seinem Pferd. Er gab den Zügel ihres Tiers nicht frei. »Folgst du mir freiwillig, oder muß ich dich hinter mir herziehen? «
    Eine unerträgliche Vorstellung, am Zügel vorgeführt zu werden wie ein ungezogenes Kind!
    »Ich reite hinter dir«, sagte sie mit sehr geradem Rücken. »Freiwillig. «
    Sie ritten von den Männern fort, die noch auf dem Pfad über der Klippe standen. Alicia sah nicht zurück. Ihre Demütigung war zu groß. Ihre Männer respektierten sie, gehorchten ihr, doch Stephen versuchte, sie in die Unmündigkeit eines Kindes zurückzuversetzen. Rab lief neben den Pferden her, ein unzertrennlicher Begleiter seiner Herrin.
    Sie ritten über drei Stunden, und Alicia wußte, daß ihre nördlichsten Güter das Ziel ihres Ritts sein würden. Es war ein rauhes, hügeliges Land, das sie durchquerten, mit vielen kleinen Flüßen, die sie durchwaten mußten. Stephen behielt ein stetiges Tempo bei, sah sich nie nach ihr

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