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Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne

Titel: Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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den zerrissenen östlichen Horizont schob. Das
Lager, dem Tagesrhythmus der Erde angepaßt, war noch still und
wie verlassen.
    Dorthy hatte sich einen Overall so zurechtgeschnitten, daß
er Arme und Beine fast gänzlich bloß ließ. Darin
absolvierte sie ihre Läufe.
    Die leichten Schuhe knirschten durch staubigen Sand und über
rauhe Felsflächen, die Muskeln wurden erst hart, lockerten sich
aber rasch wieder in der im Vergleich zur Erde etwas niedrigeren
Schwerkraft. Trotz der riesigen Sonnenscheibe war dieser
langwährende Morgen kalt, und in der trockenen Kühle
verdunstete der Schweiß schnell, so daß es Dorthy nie zu
heiß wurde, während sie am Rand des riesigen Kraters
entlanglief, der sich mehrere Kilometer vom Camp nach Süden und
Osten dehnte, über halbvergrabene Felsbrocken spurtete –
Aufschlagsplitter wie die Felsen beim Camp, verwitterter Sandstein in
einem vorzeitlichen Ozean, der verschwand, als der Planet seine
natürliche Rotation verlor – oder über die tiefen
Einschlagslöcher von Weltraumschutt hinwegsprang.
    Zum Teil schien die Planetenformung durch ein Bombardement mit
Eis-Asteroiden bewerkstelligt worden zu sein. Dieser Krater zum
Beispiel war das Überbleibsel einer zweiten Einschlagserie,
nachdem die erste mit ungeheurer Wucht das Becken für die See
geschaffen hatte. Eine Million Jahre – man stelle sich das vor.
Die grelle Intelligenz hatte Dorthy im Moment aus ihren Gedanken
verdrängt. Vor einer Million Jahren hatte es noch keine Menschen
gegeben. Wie mochte es wohl in einer Million Jahren auf der Erde
aussehen…?
    Dorthy lief und lief, bis die kalte Luft wie mit Messerspitzen in
ihren Lungen stach. Im gemächlichen Trab ging es dann zum Camp
zurück: heißer Kaffee, die harte Tagesarbeit, und dann
wieder die dankbare Loslösung vom eigenen Bewußtsein im
Schlaf. Mit den restlichen Mitgliedern des Bohrtrupps,
untergeordneten Navy-Angehörigen im Matrosenrang, redete sie
kaum. Trotzdem akzeptierten diese stillschweigend – und eher als
die anderen Wissenschaftler – ihre Anwesenheit. Kilczer hatte
recht: Ihre wissenschaftlichen Kollegen entwickelten Ressentiments
gegen sie.
    Zwei Tage nach ihrer Genesung schickte das Orbitalkommando einen
Frachtbehälter herunter. Die meisten Campbewohner begaben sich
zur Küste, um die Landung zu beobachten. Das Entfalten des
weißen Fallschirms, der plötzlich hell am dunklen,
sternenübersäten Himmel aufblühte, begleiteten sie mit
begeistertem Klatschen und Füßestampfen. Die
Bohrmannschaft ließ heimlich eine Flasche mit Schnaps kreisen,
den jemand illegal aus der kargen Bierration der Gruppe gebrannt
hatte. Dorthy nahm ebenfalls einen Schluck, als man ihr die Flasche
reichte, und unterließ es dabei bewußt, den Flaschenhals
vor dem Trinken abzuwischen. Der herbe, noch gärende Stoff
brannte im Mund und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie
mußte husten. Eine Frau klopfte ihr auf den Rücken, eine
andere tröstete sie, ihr Gaumen würde sich schon daran
gewöhnen, denn dies sei ein guter Tropfen, immerhin fast eine
Woche alt. Dorthy stellte fest, daß ihr diese sanfte Neckerei
nichts ausmachte. Um sie herum wurde wieder applaudiert, und als sie
sich herumdrehte, sah sie gerade noch, wie der Fallschirm
draußen auf dem schaumigen Wasser sanft in sich zusammensank.
Der fliegende Kran mit seinem langen Greifarm brummte über die
Köpfe der Zuschauer hinweg und schlug einen weiten Bogen auf den
dahintreibenden Behälter zu. Als Dorthy mit der übrigen
Bohrcrew zur Arbeit zurücktrottete, begegneten sie einer Gruppe
Wissenschaftler. Muhamid Hussan sah sie und drehte sich sofort zu dem
großen Meteorologen mit der gebeugten Haltung um. Seine
Verachtung drang teilweise zu Dorthy durch, doch sie störte sich
nicht daran und eilte weiter, um mit ihrer Mannschaft Schritt zu
halten. Der Schnaps brannte in ihrer Kehle, in ihrem Bauch. Wäre
das Implantat nicht gewesen, hätte sie noch mehr getrunken, nur
um diese Wärme zu erhalten. Statt dessen arbeitete sie, so hart
sie konnte. Sie arbeitete gut und verdiente sich auf diese Weise den
Respekt der übrigen Mannschaft. Und sie schlief. Und sie lief.
Manchmal hatte sie den Wunsch, immer weiter zu laufen, weg vom Camp,
weg von den Menschen, weg von ihren Aufgaben – immer weiter,
leichtfüßig durch dieses konstant rote Licht, eine
Staubspur wie einen Kometenschweif über das tote, vertrocknete
Land ziehend.
    Dann, am fünften Tag ihrer einförmigen Routine, als sie
gerade den weiten Bogen vom Camp

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