Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
allmählich
langsamer wurden. Und dann nichts mehr außer Alphawellen, das
Versinken ihres Selbst in Silber, in Schwärze, ihr Eintauchen in
die Dunkelheit, in der die Lichter anderer Bewußtseine wie
durch einen Schleier aufflackerten.
Kilczers analytische, aber sehr nervöse Gedanken waren eine
sehr starke und nahe Ablenkung. Dorthy mußte durch dieses
Netzwerk hindurch, um die Bewußtseine der anderen erreichen zu
können. Es schien, als seien das da unten keine separaten
Wesenheiten, sondern Bewußtseine, die alle auf ein Ziel
ausgerichtet waren – wie Wellen, die eine silbrige
Wasserfläche kräuselten, wie Fische, die durch
Korallenriffe patrouillierten, glitzernde Schwärme, die im
Gleichklang die Schwanzflossen bewegten, die auf einen Nervenimpuls
hin wendeten, die alle ein einziger Nervenimpuls waren. Dorthy sah
die gemeinsame Vision dieser Wesen vor sich auferstehen: zum Turm,
alle zum Turm…
Diesmal wußte sie, daß es eine andere Stimme war, die
da aus ihrer ruhenden Mitte sprach: »Weiterzuziehen. Zur Burg.
Es ist dringend. Ich weiß nicht warum…«
»Was werden sie tun, wenn sie dort ankommen?« Kilczers
Worte waren ein Echo der Gedanken, die sich wie die schlanken
Köpfe von Delphinen aus der komplexen Flut seiner Gefühle
emporhoben – aus einer Mischung aus Furcht und Neugier, Zweifel
und Ungeduld, nicht zu einer glatten Oberfläche
zerfließend, sondern einen zersprungenen dreidimensionalen
Spiegel bildend. Dorthy mußte daran vorbeischauen, nicht durch
ihn hindurch. Hinüber zu den in Einklang gebrachten
Zweckbestimmungen und Zielsetzungen der Hüter, die in
unterschiedlichen Rhythmen arbeiteten. Ittaikan, dachte sie, das Band der Zusammengehörigkeit.
Durch die oberflächliche Einigkeit schwirrten individuelle
Gedanken, schwollen an, schrumpften wieder.
Kurz aufblitzende Spitzen von Eigenbewußtsein,
gefährlich wie der grinsende Barrakuda, der manchmal unter den
synchron schwimmenden Fischschwarm fuhr.
»Das sind keine Hüter«, sagte Dorthy. »Sie
sind jedenfalls nicht so wie die draußen in den Ebenen. Sie
sind etwas anderes. Aber nur kurze Zeit. Sie sammeln sich, gehen
gemeinsam in Richtung Burg… Es ist sehr schwierig, nicht klar zu
erkennen.«
»Bitte, bleib ganz ruhig.« Durch die Dunkelheit hindurch
fühlte sie Kilczers harten Griff an ihrem Handgelenk.
Sie öffnete die Augen. Einen Moment lang vermischte sich ihre
innere Vision mit den äußeren Eindrücken.
»Kannst du gehen?« fragte Kilczer. »Sie sind jetzt
alle auf der anderen Flußseite und schleppen Baumstämme
heran. Wahrscheinlich, um ein weiteres Feuer
anzuzünden.«
»Ich weiß. Da ist etwas beim Fluß…«
»Sie sind alle auf der anderen Seite«, sagte er
bestimmt. »Komm jetzt.«
Die gefällten Stämme und das abgeschnittene Astwerk
machten den Abstieg im roten Halblicht schwierig. Dorthy
konzentrierte sich darauf, ihre Füße richtig zu setzen. Es
half ihr, sich gegen Kilczers Gefühlswirrwarr und die
ominöse Geschwulst der einen und einzigen Zweckbestimmung der
Hüter abzuschirmen. Mehrmals mußten sie in Deckung gehen,
weil sich einige Hüter am anderen Ufer in ihre Richtung wandten.
Aber Dorthy wußte, daß sie intensiv damit
beschäftigt waren, große Baustämme und Äste
für das nächste Feuer aufzuschichten und einen
Abflußkanal für das verflüssigte Harz auszuheben.
Jedesmal, wenn sie sich hinter Kilczer duckte, stützte sie sich,
ihn unbewußt imitierend, mit den Handflächen auf dem Boden
ab.
»Weiter!« Kilczer zupfte an ihrem Overall, und sie
folgte ihm. Der Fluß war jetzt sehr nah. Nicht weit von ihnen
lag ein Boot am Ufer. Es war kaum mehr als ein großes Dingi,
mit Steinwerkzeug grob ausgehauen. Eine Plattform krönte sein
klobiges Heck, in die die Ruderklampen aus grob geschnittenen
Pflöcken eingepfropft waren. Jeder Klampen hielt ein
großes Ruder.
Dorthys eingeschnittene Stiefel versanken im Schlamm, und sie
stolperte. Kilczer packte sie um die Taille und richtete sie wieder
auf. Sie fand Halt am Bootsrand und zog sich hoch…
…und fuhr entsetzt zurück, als der Hüter, der im
Boot geschlafen hatte, sich plötzlich aufrichtete. Sie fiel halb
in den Schlamm, halb ins kalte Wasser zurück. Ihre eigene Panik
und die des Wesens vermischten sich einen Moment, platzten aber dann
explosionsartig auseinander, als Kilczer den Gewehrkolben
hochriß und ihn auf den schmalen Kopf des Hüters
heruntersausen ließ. Die Kreatur taumelte und fiel in den
Bootsrumpf zurück. Kilczer schaute sich
Weitere Kostenlose Bücher