Alien 1: Vierhundert Milliarden Sterne
noch?«
»Nun, ich denke, das ist kein Geheimnis. Hier ist eine
Kilotonnen-Bombe eingebuddelt worden – mit genügend
Sprengkraft, um jederzeit die gesamte Kaldera leerzufegen, sobald der
Kontroll-Computer entscheidet, daß sie bedroht ist. Auch wieder
so eine verdammt paranoide Maschine. Mist, ich darf nicht
darüber nachdenken, wie hoch der Preis für die wenigen
neuen Erkenntnisse sein mag, die wir hier gewinnen. Wenn es das Zeug
da unten im See nicht gäbe, wäre ich jetzt mit McCarthys
Team draußen im Wald. Ja, er hat erreicht, daß er
herkommen durfte. Und Hussan auch. Sie erleben draußen im
Moment die schönste Zeit ihres Lebens. Aber das wissen Sie
sicherlich.«
»Ich wünschte, Arcady und ich wären ihnen
begegnet«, sagte Dorthy leise und betrat hinter Sutter die
Schleuse des nächsten Kuppelzeltes.
Andrews kam ihr größer vor, als sie ihn in Erinnerung
hatte. Sein rotes Haar war gewachsen und hing ihm wirr in die Stirn.
Sein Overall war zerknittert, die Ärmel hatte er über die
Muskeln seiner langen, sommersprossigen Arme aufgekrempelt. Mit der
Hand fuhr er sich immer wieder übers Gesicht, während er
gespannt Dorthys Bericht lauschte: wie sie, Kilczer und die Zwillinge
der Herde gefolgt waren und beobachteten, wie sie sich mit anderen
Herden vereinigte, wie ihr Lager überrannt worden war und nur
Kilczer und sie überlebt hatten.
Neben Andrews saß der fette Major Luiz Ramaro und ging
stirnrunzelnd eine Reihe Hologramme durch, kritzelte gelegentlich
etwas auf den grauen Memo-Schirm und schenkte Dorthy nur geringe
Aufmerksamkeit.
Sie erzählte Andrews von dem Kokon, den Kilczer und sie
gefunden hatten, von ihrer Erkenntnis, daß die Critter der
Nachwuchs der Hüter waren, und von der Verwandlung der
Critter.
Aber Ramaro winkte gelangweilt ab. »Das ist doch alles schon
längst bekannt. Ich hoffe nur, Ihre anderen Enthüllungen
sind origineller, Dr. Yoshida. Sie sollten nicht vergessen, daß
hier draußen sehr viele Leute arbeiten.«
»Lassen Sie sie doch erst mal weitererzählen«,
sagte Andrews freundlich. »Fahren Sie fort, Dorthy.«
Sie berichtete von der Auffindung der neuen männlichen
Hüter, in Andrews’ Terminologie jetzt Hausmeister oder
Statthalter, die Boote bauten, erzählte, wie Kilczer einen von
ihnen außer Gefecht gesetzt hatte, als sie sich des Bootes
bemächtigten, und berichtete von ihren Versuchen, in sein
Bewußtsein einzudringen. Andrews befragte sie intensiv zu
diesem ganzen Komplex, aber wiederum tat Ramaro ihren Bericht
geringschätzig ab. »Es wäre von Nutzen gewesen, etwas
über ihre Sprache oder die Art ihrer Verständigung
herauszufinden. Dieses Gerede über ihr verborgenes Wissen
erscheint mir doch kaum mehr als eine gewagte Spekulation zu
sein.«
»Es ist vorhanden«, fuhr Dorthy auf. »Es ist
real.«
»Ich bezweifle ja nicht, daß Sie da auf etwas
gestoßen sind«, erwiderte Ramaro kühl, ohne von
seinem Memoschirm aufzuschauen. »Aber um herauszufinden, was das
zu bedeuten hat, muß ich nun mal Ihre Interpretation in Frage
stellen. Warum lesen sich die Hausmeister denn dann den
spiralförmigen Turm zur Spitze hinauf, wenn sie, wie Sie
behaupten, über verborgene, unerschlossene Wissensspeicher
verfügen? Was könnten sie dabei noch lernen?«
»Sagen Sie es mir«, forderte Dorthy ihn auf. »Ist
das nicht Ihr Bereich?«
»Ich wünschte, es wäre so einfach. Die geschriebene
Sprache ist jedenfalls sehr kompliziert. Es gibt mindestens
vierundsechzig Schriftzeichen, und ich habe mehr als tausend
Begriffszeichen katalogisiert. Sie sind Japanerin, und daher brauche
ich Ihnen wohl kaum zu erzählen, wie schwer eine solche
Schriftsprache sein kann. Im Zusammenhang gelesen kann ein einziges
Begriffszeichen ein halbes Dutzend verschiedene Bedeutungen haben.
Außerdem verfüge ich nicht über den Stein der Weisen,
sondern bin in Ihrem Fall völlig auf Vermutungen angewiesen. Ich
weiß nicht, was die da drüben beim Turm lesen, aber ich
bezweifle, daß sie es nur zur Unterhaltung tun. Ganz
gewiß aber, um sich Wissen anzueignen. Wenn aber Wissen in
ihren Köpfen unterschwellig vorhanden ist, warum lesen sie
dann?« Er gönnte sich selbst ein kleines Lächeln,
wobei er die Lippen unter seiner Stupsnase spitzte.
»Ich will mich nicht mit Ihnen darüber streiten«,
sagte Dorthy. Die Kunststoffoberfläche des Tisches war feucht
von ihren schwitzenden Händen. Ihre Abneigung gegen Ramaro war
mindesten ebenso stark und offensichtlich wie die seine gegen sie.
»Große
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