Alien 4: Die Herren der Erde
erzählen.«
Ich mußte ihn fragen, wer Colonel Arnes war.
»Oh, das ist unser neuer Sicherheitsoffizier. Er wurde von
York hierher abkommandiert, um ein paar Zwischenfälle
aufzuklären, die wir neulich hier unten hatten. Man sagt, er
habe sich in York einen schlimmen Ruf erworben. Ein Mann, den man ihm
zum Verhör überstellt hatte, ist dabei ums Leben
gekommen.« Dubois schwieg einen Moment und glättete wie
üblich seinen Schnurrbart. Dann meinte er: »Sie werden das
bitte nicht weitererzählen. Ich denke, das ist
Ehrensache.«
»Bei meiner Mutter!« Dubois sah mich irritiert an, und
ich klärte ihn auf. »Ich will damit sagen, daß ich es
niemandem erzählen werde. Aber gibt es tatsächlich Probleme
hier bei uns?«
»Jedenfalls genug, um diese Tournee abzusagen – nachdem
ich schon alles dafür vorbereitet hatte! Ich bin hergekommen, um
Ihnen das zu sagen. Ich habe ein schlechtes Gewissen – nach all
den Briefen, die Sie in dieser Sache für mich geschrieben
haben.«
»Tut mir leid, das zu hören. Mit der Veranstaltung
hätten Sie sicherlich der Verbesserung der gegenseitigen
Beziehungen einen großen Dienst erwiesen.«
»Vielleicht könnten Sie nochmals einen Brief für
mich schreiben, wenn sich die Lage hier wieder beruhigt
hat.«
»Kein Problem. Aber was ist denn eigentlich
geschehen?«
»Letzte Woche schnitten ein paar Leute ein Loch in den
Außenzaun, erdrosselten einen Posten und legten in einem
Farbendepot Feuer. Hier ist es bald so schlimm wie im Norden oder in
Wales. Aber vielleicht kriegt Arnes die Situation ja wieder in den
Griff. Er ist zwar ein widerlicher Bastard, aber auf seine Art sehr
effizient, das muß man ihm lassen. Selbst wir müssen
neuerdings immer eine Waffe tragen. Wollen Sie meine mal
sehen?«
»Oh, ich glaube es Ihnen auch so.«
Dubois streckte seine langen Beine aus und verschränkte die
Hände über seinem kurzgeschorenen Kopf. Der Rohrsessel
knarrte laut unter seinem Gewicht. »Wundern Sie sich also nicht,
wenn hier jetzt verstärkt Patrouillen von uns auftauchen. Wie
ich schon sagte – Arnes ist sehr effizient. Die Lage spitzt sich
zu. Hätte nie gedacht, daß es so schlimm werden
würde.«
Da konnte ich ihm nur beipflichten. Der Gedanke an
Heckenschützen und bis an die Zähne bewaffnete
nächtliche Patrouillen der Besatzer, an geheime Aktionen,
Sabotage und Infiltration erschien mir, während wir hier
friedlich in der Sonne saßen, den Schmetterlingen nachschauten
und dem dumpfen Aufprall von Davids Pfeilen auf der Zielscheibe
lauschten, absurd und unwirklich, wie eine Vorstellung aus einer
anderen Welt.
»Aber was soll’s?« knurrte Dubois.
»Wahrscheinlich wird ohnehin nichts passieren.«
»Trotzdem – die Sache mit der geplatzten Konzerttournee
bedaure ich sehr.«
Mit einer wegwerfenden Handbewegung beendete Dubois dieses Thema
und erzählte mir von seiner bevorstehenden Abreise und seinen
Plänen für den Herbst. Dann erklärte er so
überraschend wie immer, daß er jetzt gehen müsse.
»Habe noch einiges zu erledigen. Nach meinem Urlaub werde ich
Sie wieder besuchen.«
»Gern. Sie sind jederzeit willkommen.«
Doch ich sah ihn nie wieder.
Aber dies war noch nicht der Zeitpunkt, an dem alles begann. Wenn
man der ganzen Angelegenheit überhaupt einen zeitlichen Anfang
zuschreiben konnte, war es der Tag, an dem David die Münze
fand.
Es war gegen Ende September, mitten im Spätherbst – der
Himmel stahlblau, die Sonne dagegen schon wesentlich schwächer
als noch vor wenigen Wochen. Ich fragte David, ob er mit mir einen
Spaziergang machen wolle. Er nickte sofort. Wir schlugen den Weg nach
Cadbury Castle ein und gingen eine Zeitlang schweigend nebeneinander
her. Es war ein ruhiger Tag, und das Brummen eines Meilen entfernten
Traktors drang schwach durch die klare Luft zu uns herüber. Die
angespannte Lage hatte auch ihr Gutes, wie sich zeigte: Wenigstens
hatten wir diesmal den Hügel ganz für uns. Noch vor
fünf Jahren hätten an einem Tag wie diesem Dutzende
Fahrzeuge den Weg verstopft, und es hätte von Menschen nur so
gewimmelt.
Wir stiegen durch den dichten Wald auf und überquerten vom
südlichen Ende her das abgeerntete Kornfeld. Erst jetzt brach
ich das Schweigen. »Erinnerst du dich noch, wie ich dich zum
ersten Mal hierher mitnahm?«
»Ich erinnere mich an die Soldaten«, antwortete David.
Dann: »Ich wünschte, es könnte immer so sein wie
jetzt. So friedlich. Es ist nicht fair…«
Ich dachte, er spräche von den Ferien, die bald zu
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