Alien Earth - Phase 1
Unter extremer Belastung konnte es zu Flashbacks kommen, eine Langzeitwirkung der Droge.
Rudi schloss kurz die Augen, atmete tief durch, öffnete sie wieder. Der Engel blieb verschwunden. Er sah auf das Display. Es war wieder ausgefallen. Rudi fluchte einen Himmelsberger Fluch, nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie Wilbur ihn erstaunt und mit einer gewissen Wertschätzung beäugte, und knallte die Faust in das Display. Nichts, es blieb tot. Was nun? Rudi hatte nichts. Höhe, Geschwindigkeit, Windrichtung - die endlosen Reihen der altmodischen Instrumente, die in das Cockpit der Bitch eingebaut waren, verwirrten Rudi mehr, als dass sie ihm halfen. Im Camp war keiner auf die Idee gekommen, dass er je ein Museumsstück fliegen würde.
Nichts - und nichts zu verlieren. Rudi setzte zur Landung an. Triebwerk 1 stotterte und setzte schließlich aus, als er die Bitch zur Piste hin manövrierte. Rudi fuhr das Fahrwerk aus, es gehorchte ihm, wenn auch knirschend. Er löste den Fanghaken aus. Nichts geschah. Er probierte es ein zweites und drittes Mal, ohne Erfolg. Er hatte sich geirrt. Sie hatten nicht nichts - sie hatten weniger als das.
Dann ging alles sehr schnell. Die fernen Lichter waren auf einmal zum Greifen nahe. Rudi sah Flyboys in alle Richtungen davonrennen, die meisten weg von der Piste, andere zu den Löschfahrzeugen und den Krankenwagen.
»Zieh hoch, Junge!«, brüllte Wilbur von hinter ihm. »Du bist zu schnell! Zieh hoch!«
Rudi ignorierte ihn. Es war zu spät. Die Bitch war zu schwer, sie würden nicht mehr hochkommen, nicht mit einem Triebwerk.
Sie setzten auf.
Sie waren zu schnell. Mit einem furchtbaren Schlag knallte die Bitch auf die Piste, wurde wieder in die Luft geschleudert,
setzte erneut auf und blieb am Boden. Sich schüttelnd raste sie über die Piste, die Reihe der Hangars schoss an ihnen vorbei wie ein Schemen.
»Brems, Junge! Verdammt, brems doch!«
Rudi tat es längst. Die Bitch jaulte und bockte, Schmorgeruch verteilte sich in der Kabine, der letzte Hangar blieb hinter ihnen zurück, und vor ihnen, hinter den letzten Lichtern, wartete die Schwärze auf sie, griff nach ihnen …
… und dann stand die Bitch , eine Handbreit vor dem Ende der Piste.
Triebwerk 3, das Zittern der Kabine erstarb. Rudi hörte Wellen klatschen, von weiter Ferne Sirenen. Wilburs Hand legte sich schwer auf seine Schulter.
»Saubere Arbeit, danke.«
»Meine arme Bitch ! Das werden sie mir büßen!«
Rudi und Wilbur waren allein im Hangar. Diane war noch auf der Piste von Sanitätern abgeholt worden, Rodrigo und Hero hatten beschlossen, ihr Beistand zu leisten.
Wilbur tat in der Zwischenzeit das seine für die Maschine. Rudi durfte dabei sein. Mehr noch, Wilbur hatte ihn mit einem »Du bleibst bei mir, Rudi!« an seine Seite befohlen.
Die Bitch sah übel aus. Auf der Seite, auf der es sie erwischt hatte, waren von ihrem erdbeerroten Anstrich nur noch vereinzelte Inseln geblieben. Er war entweder abgeplatzt oder von der Hitze verfärbt oder unter einer dicken Rußschicht begraben. Der hintere Teil von Triebwerk 4 war bis tief in die Tragfläche hinein verschwunden. Eine Höhle, schwärzer als die Nacht über dem Pazifik, nahm seinen Platz ein. Unter den starken Hangarlichtern glänzten blanke Metallkanten. Der Propeller des Triebwerks war ein Stumpf, an dem unregelmä ßige Stummel die Stellen markierten, an denen die Blätter gesessen hatten. Die Propellerblätter selbst … sie mussten wie Glas zersplittert sein. Der größte Teil der Splitter war ins Meer gespritzt, wo er vielleicht einem nichts ahnenden Fischschwarm den Tag gründlich verdorben hatte. Der kleinere Teil
hatte den Rumpf durchlöchert. Die Längsseite der Bitch sah aus, als hätte sie ein Wochenende lang auf einem Volksfest für Schießübungen mit Schrotflinten hergehalten. Löcher, überall Löcher. Ein paar der Splitter hatten sich hinter Rudis Rücken durch den Rumpf gebohrt, waren in schrägem Winkel weitergerast und hatten Diane erwischt, andere hatten sich mit den Hydraulikschläuchen, den elektrischen Leitungen und - soweit Rudi es von seinen Erfahrungen beim Rückflug her beurteilen konnte - dem primären und sekundären Bordrechner und Teilen des tertiären begnügt. Ein paar Splitter mussten auch in die Drähte gerast sein, welche die Ruder der Bitch anbanden - und hatten sich daran ihre scharfen Kanten ausgebissen, sonst hätte sich die Maschine längst beim Aufschlag auf dem Wasser ihrerseits in Milliarden Splitter
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