Alien Earth - Phase 1

erkennen!«
    Ihr Schrei war schrill und durchdringend.
    Nein! Rudi stürzte zu ihr, drückte ihr die Hand auf den Mund. Nicht, um ihr wehzutun, einfach nur, um einen Moment der Ruhe zu bekommen. Dann würde sich alles klär…
    Die Tür sprang auf. Männer rannten in die Kabine, kleine, halb verhungerte Asiaten. Die ersten beiden knallte Rudi gegen die Wand, so hart, dass sie nicht mehr aufstanden. Es nützte ihm nichts, es kamen immer mehr von ihnen. Es waren zu viele. Sie rissen ihn weg von seinem Engel, an dem er sich jetzt verzweifelt festhielt, zerrten ihn hinauf auf das Deck.
    Wang erwartete ihn. Der alte Mann sah ihn einen Augenblick lang traurig an, dann gab er ein Zeichen. Es war eindeutig: »Über Bord mit ihm!«

    Rudi schrie. »Nein, nicht! Ich kann nicht schwimmen!« Niemand hörte auf ihn. Rudi zappelte und strampelte mit aller Kraft, die ihm die lebenslange Schufterei am Himmelsberg beschert hatte, bekam ein Bein frei, stieß einen seiner Fänger weg. Innerhalb eines Augenblicks nahmen zwei andere seine Stelle ein, hielten sein Bein fester als zuvor.
    Dann war Rudi halb über der Reling, und die Angst vor dem Wasser verlieh ihm für einen Augenblick übermenschliche Kraft. Er bekam eine Hand frei, klammerte die Finger um die Reling. Sie bekamen sie nicht los. Einer der Männer rannte weg, kam mit einem Messer zurück, setzte es an Rudis Handgelenk an und …
    Ein Schuss.
    Aus nächster Nähe, laut wie ein Geschütz. Die Männer erstarrten.
    »Lasst ihn los, sofort!« Ein zweiter Schuss. Die Männer sahen zu, dass sie wegkamen. Sie ließen Rudi fallen. Er kam hart auf, wäre beinahe abgerutscht und ins Meer gestürzt. Er zog sich weg von der Reling, blickte in die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren. Er sah den alten Wang und neben ihm, eine Silhouette im Mondlicht, einen zweiten Mann. Er hielt ein Sturmgewehr, den Lauf nach oben gerichtet, die Haare kurz rasiert.
    Wilbur!
    Wilbur drückte Wang ein Bündel Scheine in die Hand, ging zu Rudi, packte ihn an einem Arm und zog ihn wie einen Sandsack über das Deck und über eine Gangway zu dem Boot, mit dem er gekommen war. Niemand versuchte, sie aufzuhalten.
    »Danke, Wilbur«, sagte Rudi, als das Floß der Boat People hinter ihnen zurückfiel. »Ich weiß nicht, wie ich dir je dafür danken kann.«
    »Ich schon«, antwortete Wilbur.

    13,4 %
    Durchschnittlicher Anstieg patentierter GenMod-Varianten in Europa pro Jahr seit 2055
     
    3,7 %
    Durchschnittlicher Artenverlust wildlebender Spezies in Europa seit 2055
     
    71/29
    Verhältnis GenMods/unmodifizierte Tiere, die 2064 in europäische /n Tierheimen abgegeben/gebracht wurden
     
    8,1 %
    Anteil der von europäischen Tierheimen an neue Halter übergebenen GenMods/unmodifizierten Tiere
     
    114
    Anzahl der Menschen, die 2064 in den USAA für die Durchführung sexueller Handlungen mit GenMods hingerichtet wurden. Amtliche Angabe
     
    587
    Anzahl der Menschen, die 2064 in den USAA für die angebliche Durchführung sexueller Handlungen mit GenMods gelyncht wurden. Schätzung
     
    14
    Anzahl der Staaten, in denen die Kreuzung von menschlichem und tierischem Erbgut legal ist
     
    0
    Anzahl der Staaten, die GenMods mit menschlichem Erbgut Bürgerrechte einräumen
     
    92,4 %
    Anteil der europäischen Haushalte, die sich einen GenMod als Helfer wünschen
     
    - AlienNet Unterforum Welt/Statistik
Stand: 21. Februar 2065
Zahl der täglichen Abrufe: 5,6 Millionen

KAPITEL 33
    Blitz, das Gespenst, war fort.
    Blitz, die keiner zu fassen bekam, die überall und nirgends zugleich war, immer dort auftauchte, wo man sie am wenigsten erwartete, die auf der Stelle auf und ab sprang, weil sie es nicht aushielt, einfach so dazustehen und nichts zu tun, die brüllte, wenn sie etwas sagte, und laut sprach, wenn sie flüsterte, die nicht zu merken schien, dass sie noch ein Kind war und bereits ganz unten angekommen war, oder, falls sie es doch tat, sich nicht darum kümmerte.
    Die Blitz, die Wieselflink vor Wolfs Bau von einem Gardisten übergeben wurde, war ein in sich zusammengesunkenes Bündel. Sie starrte ins Leere, gegen die gepanzerte Zugwand. Als Wieselflink sie begrüßte, hob sie den Kopf, etwas blitzte in ihren von dunklen Ringen unterlegten Augen auf - dann war es wieder verschwunden, und sie senkte den Kopf und trottete ihm brav hinterher, schlurfend, als müsse sie ihre ganze Kraft aufwenden, um die Beine zu heben.
    Wieselflink konnte den Anblick nicht ertragen. Er sah nicht hin, während er sie durch den