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Alien Earth - Phase 1

Titel: Alien Earth - Phase 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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saß, unangenehm heiß, wenn man den Fehler beging, sich zu bewegen. Rudi war schweißnass, noch bevor er weit genug von der Insel entfernt war, um die Piste in ihrer ganzen Länge überblicken zu können.
    Rudi vermied es hinzusehen. Genau so, wie er es vermied, über den Rand des Bootes zu blicken. Wasser machte ihm Angst, auch wenn die Pillen, die er aus der Krankenstation gestohlen hatte, ihm die schlimmste Übelkeit ersparten. Stattdessen sah er - in träumerischen Momenten - zum Mond hinauf, halb in der Erwartung, ihr Gesicht zu sehen. Wohlwollend lächelnd. »Du schaffst es!«, hörte er ihre Stimme in sich flüstern. Die meiste Zeit aber sah er auf das Display des Navis, das er organisiert hatte. Das Gerät war sein Führer. Beim letzten Landeanflug der Himmelsstürmer - dem elften, den er mitgemacht hatte - hatte Rudi sich den Luxus einiger Schleifen in großer Höhe über Funafuti erlaubt. Die Crew, insbesondere Beatrice, die einen heiligen Zorn an den Tag legen
konnte, wenn ihr etwas gegen den Strich ging, hatte ihn mit missbilligenden Blicken gestraft. Die Flyboys waren müde und gereizt gewesen. Rudi, ihr Glücksbringer, hatte ihnen bislang kein Glück gebracht, und das Kerosin ging zu Ende, was es auf der Himmelsstürmer unweigerlich zu früh tat. Rudi hatte getan, als bemerke er die Blicke nicht, hatte die Pemburu weiter kreisen lassen - und gerade in dem Moment, als er im Begriff gewesen war, die Geduld seiner Kameraden überzustrapazieren, hatte er gefunden, was er suchte.
    Die Boat People.
    Ihr Floß war schwerer auszumachen gewesen, als Rudi erwartet hatte. Ihr verzurrtes und vertäutes Konglomerat unterschied sich nur wenig von den dunklen Schatten, die dicht unter der Meeresoberfläche liegende, abgestorbene Korallenbänke erzeugten, und so gut wie gar nicht von den Quadratkilometer durchmessenden Inseln schwimmenden Mülls, auf die die Flyboys hin und wieder stießen. Die rostigen und schmutzigen Gefährte der Boat People unterschieden sich in erster Linie im Maßstab von dem Müll, und genau das fehlte Rudi: eine Vorstellung vom Maßstab. Der endlose Pazifik bot keine Bezugspunkte.
    Am Ende hatte der Tanker, um den herum sich die übrigen Boote gruppierten, Rudi auf die Sprünge geholfen: Seine lange, wuchtige Form war unverkennbar. Rudi hatte sich die Position der Boat People eingeprägt, ungeduldig auf eine ruhige Nacht wie diese gewartet und gebetet, dass ihr Floß in der Zwischenzeit nicht zu weit abgetrieben war.
    Rudi kam gut voran. Das Meer war still wie ein Teich, stellte ihm keinen Wellengang in den Weg. Er wurde ruhiger. Der Schweiß, der ihm in Strömen über den Körper lief, das schwere Wuchten waren Rudi vertraut. Er war damit aufgewachsen. Himmelsberg hatte wenig anderes für die seinen bereitgehalten: Schweiß, Schufterei, geplante Fortpflanzung, die nichts anderes als Schufterei darstellte. Dazu ständige Lektionen und Ermahnungen. Und als Belohnung die vage Aussicht, den Jüngsten Tag zu überleben und das seltene Privileg zu genie
ßen, bis an den eigenen Jüngsten Tag schwitzen, schuften und sich fortpflanzen zu dürfen.
    Rudi war, nachdem er seinen Rhythmus gefunden hatte, als könne er ewig weiterrudern, seinem Engel entgegen, durch die ruhige See.
    Es war eine Illusion. Rudis Arme würden ermüden, und was die See anging … der September ging dem Ende zu. Nicht mehr lange, und die Sturmsaison würde beginnen. Manchmal tat sie es Ende Oktober, manchmal bereits Anfang des Monats. Es gab kein Muster, zumindest kein verlässliches, das die Meteorologen der Company hätten aufspüren können. Aber die Veteranen unter den Flyboys - die bereits die dritte oder sogar die vierte Saison abschlossen, das Maximum, das die Company zuließ - behaupteten von sich, ein Gefühl dafür zu haben. Vor dem ersten großen Sturm, behaupteten sie, lag eine Woche der Ruhe. Unnatürlicher Ruhe. Und dann …
    Rudi ruderte schneller. In irgendeinem abgelegenen Winkel mochte sich bereits der erste Sturm zusammenbrauen, vielleicht tat er es auch erst in Wochen. Für Rudi war der Unterschied marginal: Kam der Sturm, würde Funafuti augenblicklich geräumt werden, und die Chance der Himmelsstürmer auf ein Artefakt wäre vorüber; blieb er aus, würde ihre Crew jede menschenmögliche Minute in der Luft verbringen. Rudi würde keine Gelegenheit mehr bekommen, sich seiner eigenen Suche zu widmen. Der Suche, die mit Jonathans Schwärmereien in norwegischen Polarnächten begonnen und mit einer Flasche

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