Alien Earth - Phase 1
eben dieser Paul verfolgte in seinem Größenwahn einen eigenen Plan. Einen Plan, in dem er sie zur Komplizin gemacht hatte.
Mit allen Konsequenzen.
Ekin hatte sich gegen das Korps entschieden. Das Korps würde es ihr nicht verzeihen, konnte es nicht. »Das hier ist größer als du und ich«, hatte Trixie gesagt. Trixie. Allein schon ihren Namen in Gedanken zu formen, schmerzte. Trixie hatte immer zu ihr gehalten. Und Trixie hatte sie von Anfang an betrogen.
Lichter blieben zu ihrer Rechten zurück. Koblenz. Der Horizont vor ihr leuchtete fahl: das Konglomerat Wiesbaden/ Mainz/Frankfurt.
Das Korps hatte sie manipuliert und benutzt. Und sie rannte davon. Paul entgegen, der niemals etwas anderes getan hatte, als sie zu manipulieren und zu benutzen, und in diesem Augenblick mit Sicherheit nichts anderes tat.
Als die Ausfahrt Frankfurt-Mitte kam, nahm Ekin sie, ohne zu zögern, folgte der Ausschilderung und fuhr rechts ran, nachdem ihr die Dichte der Mannschaftswagen, mit denen sie die Straße teilte, unangenehm wurde. Sie warf einen kurzen Blick - ein Blinzeln nur - auf die Instruktionen, die Paul ihr zugespielt hatte, prägte sie sich ein und steckte das Blatt in die Tasche. Es würde sie an den Hundertschaften Bahnpolizei vorbeiführen, die den Hauptbahnhof in der Zwischenzeit belagern mussten. Oder besser: unter ihnen hindurch. Ekin leerte die Wasserflasche in einem Zug - ihr Durst war mörderisch -, schnappte sich das G5 und rannte los.
Sie näherte sich dem Bahnhof von der Ostseite. Ekin sah die Kuppel der Bahnsteighalle, eine sich hoch auftürmende
Glaskonstruktion. Das Glas war dumpf und schmutzig, seit einem Vierteljahrhundert hatte es keinen Putztrupp mehr gesehen. Vor dem Bahnhof stand ein Gewirr von Fahrzeugen, zwischen denen aufgeregte Bahnpolizisten in Zeitlupe hinund herrannten.
Ekin hielt mit der Geschwindigkeit eines Geschosses auf sie zu.
»H-A-L-T!«, rief ein Polizist. Es war ein merkwürdig lang gezogener Laut.
Ekin ignorierte ihn.
»H-A-L-T! O-D-E-R W-I-R...«
Kugeln bohrten sich hinter ihr in den Asphalt. Ekin schlug einen Haken, dann - von plötzlichem Übermut ergriffen - einen doppelten Salto und rammte mit ausgestreckten Beinen in eine Haustür. Ihre schweren Hunter-Stiefel spalteten das Holz. Ekin kam auf, schnellte weiter, die Kellertreppe hinunter. Eine Tür. Aus Stahl. Ekin angelte das G5 von der Schulter, legte an und pulverisierte das Schloss. Ein Tritt, die lädierte Tür sprang auf und …
… vor ihr lag ein staubiger Gang.
Kerzen am Boden. Dicke Stumpen in Gläsern, die sie gegen den Luftzug schützten.
Kerzen, vor kurzem angezündet. Für sie.
Sie folgte der Spur. Treppen hinunter, Treppen hinauf, nach rechts, nach links - und zu einer Tür.
Sie stieß sie auf, sprang durch den Türrahmen, das G5 im Anschlag.
Hunderte von Kerzen erwarteten sie. An einer Seite des Raums lag eine nach Schimmel stinkende Matratze, umgeben von zu Bergen aufgehäuften Taschenwelten. Die andere Seite war eine Datenwand. Sie zeigte Ekins Apartment, die Couch und Trixie. Zumindest einen Teil von ihr: ihre Füße. Sie regten sich nicht. Vor der Datenwand saß, im Schneidersitz und von Kerzen umringt, Paul.
Er trug Körperpanzer und Helm.
Paul grinste, als er Ekin sah. »Weißt du, wie lange ich auf
diesen Augenblick gewartet habe?«, sagte er. »Du und ich allein im Kerzenlicht?«
Die Spitze des G5 ruckte vor, hielt auf Pauls Stirn, zwischen den Augen inne - in einer ruckartigen Bewegung, die selbst die neurobeschleunigte Ekin überraschte.
Es hatte nur diese eine Bemerkung gebraucht, dieses eine Grinsen. Sie hatte keinen Alien vor sich. Es war viel schlimmer. Es war Paul. Paul, der über allem stand. Paul, der alles besser wusste und konnte. Paul, den sie …
»Du elendes Schwein!«, sagte sie. Brüllte sie in grenzenloser Wut auf sich selbst. Wie hatte sie nur so naiv sein können und Paul folgen? »Was soll dieser Mist? Was stellst du mit mir an? Wieso hast du mich hierhergelockt? Los, krieg das Maul auf, oder …!«
»Langsam, Hunter.« Paul schien den Lauf, der gegen seine Stirn drückte, nicht zu bemerken. »Du willst doch bestimmt nichts übereilen, nicht wahr? In deinem Zustand …«
Sie unterbrach ihn. »In meinem Zustand kann ich für nichts garantieren. Also rede!«
Das Grinsen verschwand. Wenigstens das.
»Dein Wunsch war schon immer mein Befehl«, sagte Paul. »Was willst du wissen? Wie es mir geht? Danke der Nachfrage, den Umständen entsprechend gut.«
»Dir geht es
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