Alien Earth - Phase 1
der das durchtrennte Halsband in einer Hand, die Schere in der zweiten hielt, und schüttelte den Kopf. »Dann stimmt es also doch«, sagte er. »Wolf hat es mir gesagt, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Dir wird die Chance auf ein zweites Leben auf einem Silbertablett serviert - und du denkst nur daran, dich davonzumachen. Was bist du nur für ein Mensch?« Er schüttelte langsam den Kopf, in einer Mischung aus Fassungslosigkeit und nahezu grenzenloser Enttäuschung.
»Ich … ich …«
»Bemüh dich nicht. Ich will deine Rechtfertigungen nicht hören. Wenn es nach mir ginge, würden wir Menschen wie dich …« Fischer räusperte sich. »Egal, du hast dir deine Strafe selbst ausgesucht. Du musst auf der Erde bleiben. Komm mit!«
Wieselflink zog den Rucksack über und ließ das Labor hinter sich. Fischer eilte durch den Zug. Blitz, die er an der Hand führte, musste rennen, um mithalten zu können. Sie tat es mit automatischen, leblosen Schritten. Sie gab mit keiner Geste, keinem Blick zu erkennen, dass sie Wieselflink wahrnahm, ja, dass sie ihre Umwelt überhaupt wahrnahm. Ihre Augen waren geweitet, schienen aus den Höhlen zu quellen. Als er näher kam, roch er einen süßlich-klebrigen Duft. Was hatte Fischer mit ihr angestellt?
»Hier!«
Fischer führte sie in einen dunklen Arbeitsraum. Ein Dutzend Displays spendeten Dämmerlicht, zeichneten kantige
und entschlossene Linien in die Gesichter der zwei Dutzend Gardisten, die die Terminals bemannten. Sie murmelten leise Befehle in unsichtbare Mikrofone, während vor ihnen in rapider Folge Diagramme erschienen, die Wieselflink an Zeichnungen elektrischer Schaltungen erinnerten.
»Der letzte logistische Feinschliff«, erklärte Fischer. »47 Züge des Packs sind noch nicht in Frankfurt angekommen. Sie müssen bei S minus 40 eintreffen, wenn die Nomaden an Bord eine Chance haben sollen, die Lange Reise anzutreten. Ihre Züge müssen vor der Halle halten, ein Marsch liegt vor ihnen.«
»Was ist mit unserem Zug?«
»Er hat eine andere Aufgabe.«
Fischer nahm vor einem freien Display Platz, rief eine weitere Schemazeichnung auf. »Der Plan des Frankfurter Hauptbahnhofs«, erklärte er. »Er wurde in den Dreißigerjahren komplett saniert. Unter anderem hat die Bahnsteighalle ein neues, freitragendes Dach erhalten - ein teures Vergnügen, das man sich gespart hätte, hätte man gewusst, dass in wenigen Jahren damit begonnen würde, Überschussmenschen auf das Schienennetz auszulagern. Wichtig für uns ist, dass die grundlegende Anlage unverändert blieb. Insgesamt 24 Gleise an der Oberfläche. Unsere Vorauskommandos haben sie temporär unter unsere Kontrolle gebracht. Dazu einen Teil der unterirdischen. Nicht so viele, wie wir uns gewünscht hätten, aber unser Einfluss hat Grenzen. Das unterirdische Schienennetz wird für den öffentlichen Nahverkehr genutzt; das Ministerium konnte es nicht komplett an uns überschreiben, ohne den Argwohn anderer Regierungsstellen zu wecken. Aber das ist zu verschmerzen. Wir haben bei unserer Planung auf Redundanz geachtet. Bei S minus 0 wird das gesamte Große Pack an Ort und Stelle versammelt sein.«
»Und dann?«
»Was interessiert es dich? Du hast dich gegen uns entschieden.«
»Ich habe mich entschieden, nicht mit euch zu kommen. Das ist etwas anderes.«
Fischer dachte nach, nickte schließlich. »Du bist kein Dummkopf. Ich verstehe nicht, wieso du auf der Erde bleiben willst.«
»Und ich verstehe nicht, auf welche Weise ihr die Erde verlassen wollt. Das Große Pack versammelt sich in einem Bahnhof, um das Alienschiff zu besteigen - sag mir, wo soll es landen?«
»Ich glaube, jetzt verstehe ich.« Fischer sah ihn mitleidig an. »Du bist intelligent, besitzt einen scharfen Verstand - deshalb hat Wolf dich damals zum Großen Pack zugelassen, aber dir fehlt etwas: die Fantasie und der Mut, in neuen Bahnen zu denken.«
»Ach ja? Dann hilf mir auf die Sprünge und beantworte meine Frage. Wenn das Große Pack sich vor dem Bahnhof versammeln würde, könnte ich es verstehen. Dort gibt es große Schienenflächen, einen möglichen Landeplatz. Aber ihr versammelt euch im Bahnhof! Wo soll euer Alienschiff landen?«
»Nirgends natürlich! Wir haben es mit Aliens zu tun, nicht mit Menschen. Mach dir das endlich klar. Sie sind über den Abgrund von Lichtjahren zu uns gekommen. Sie sind völlig anders als wir. Ihre Denkweise muss uns vollkommen fremd erscheinen. Sie finden Lösungen, auf die ein Mensch niemals kommen
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