Alien Earth - Phase 1
wirf ihnen die Frage hin - und du erlebst einen Gewaltausbruch, gegen den der Zweite Taiwan-Krieg ein Picknick war.«
»Verstehe. Und was ist mit Paul? Was trifft auf ihn zu?«
»Keine Ahnung, deshalb bin ich ja mit an der Sache dran. Paul ist besonders.« Trixie bremste auf unter 200, als sie auf die A60 einbog. Im Osten ragten die Türme Frankfurts auf, dunkle Umrisse in der Mondnacht. »Und gleichzeitig tickt er wie du und ich. Er ist ein einsamer Hunter. Er hat eine Partnerin, die ihm viel bedeutet, aber irgendwie kann er nicht zu ihr durchdringen.«
»Red keinen Mist. Paul …«
Trixie ließ sie nicht ausreden. »Ich dachte, wenigstens das hätten wir geklärt! Paul ist von einem Alien übernommen - und was macht er? Er schickt dir einen Hilferuf! Wenn ich je einen Beweis für Wertschätzung, vielleicht sogar Liebe, gesehen habe, dann den. Und was sein konstantes Mobbing angeht: Wenn man es aus diesem Winkel betrachtet, ergibt es plötzlich Sinn. Paul wollte dich nicht kleinkriegen, nein, er wollte deine Aufmerksamkeit erregen. Aber das hat nicht so funktioniert, wie er gehofft hat. Also hat er immer noch einen nachgelegt. Und noch einen. Und du hast dich jedes Mal tiefer in deine Verteidigungsgräben gebuddelt.«
Die A5. Die dunklen Türme Frankfurts blieben hinter ihnen in der Nacht zurück.
»Diese Puff-Geschichten, die er dir reingedrückt hat, waren sein ultimativer Knüppel. Politisch so unkorrekt, wie man es sich nur vorstellen kann, und dazu noch eine sexuelle Komponente. Schwer zu schlucken für ein - sorry, aber so ist es - braves Mädchen wie dich. Raffiniert. Ein interessanter Bursche, dein Paul.«
Ja, das war er. Und der Knüppel war mächtig. Paul in einem Puff … die Vorstellung war einfach widerlich. Aber vielleicht …?
»Du glaubst, das waren nur Geschichten?«
»Das werden wir bald wissen. In Karlsruhe gibt es eine Rote Laterne . Und ihr beide wart in den letzten sechs Monaten zweiundzwanzigmal in Karlsruhe und den angrenzenden Verteidigungsbezirken bei Zugriffen, das letzte Mal erst vor sechs Tagen. Paul hätte also Gelegenheit gehabt, dir in der Roten Laterne
in Karlsruhe eine Nachricht zu hinterlassen.« Trixie zog den Wagen in die Ausfahrt und steuerte die Karlsruher Südstadt an. Die Reifen quietschten, als die innerstädtische Verkehrskontrolle sich in die schlafenden Systeme des Wagens einklinkte und ihn auf 80 km/h herunterbremste.
Unter der Zubringerbrücke zog sich der Bahnhof dahin. Ekin sah hinunter. Auf den Bahnsteigen schliefen Menschen eng aneinandergedrückt. Es mussten Überschussmenschen sein, dachte sie flüchtig. Aber gehörten sie nicht in die Züge?
Ihr war, als blicke sie in eine Welt, ferner als diejenige, von der die Aliens kamen.
Es waren die Augen.
Ekin hatte mit Elend gerechnet, mit mehr oder weniger tapfer ertragenem Leid, mit Schmuddel, notdürftig mit Rotlicht übertüncht. Und sie und Trixie fanden es im Überfluss. Erst in der Roten Laterne , dann, als sie dort keinen Hinweis auf Paul fanden, an vielen anderen Orten. Trixie bestand darauf.
»Ekin, wir klären das hier ein für allemal, klar?«, sagte sie und duldete keinen Widerspruch. Also klapperten sie erst Haus um Haus die Brunnenstraße ab, dann, von einem Taxifahrer durch die menschenleeren Straßen kutschiert, von Terminwohnung zu Terminwohnung zu Edelbordell bis schließlich, im ersten Dämmerlicht, zum Straßenstrich. Der Strich, der angeblich nicht existierte und zu dem der Taxifahrer sie erst dann lotste, als er zu der Überzeugung gekommen war, keine Polizeispitzel vor sich zu haben, die eine merkwürdige Variante von Frontalermittlung fuhren, sondern zwei verrückte Hühner, die den besonderen Kick suchten.
Ekin sah Schmuddel, überbordenden, barocken Luxus und roch antiseptische Sauberkeit, die sie an Krankenhäuser erinnerte. Sie sah fette Puff-Mamas, die mit ihren dicken Beinen so unerschütterlich auf dem Erdboden standen, dass sie sich ihnen am liebsten an die Brust geworfen, geheult und ihr Leid geklagt hätte.
Sie sah mit Anabolika aufgepumpte Zuhälter, bei deren Anblick sie bereute, ihr G5 im Kofferraum zurückgelassen zu haben.
Und sie sah in Augen.
Tote Augen.
Die Augen von StimuRobs.
Metallskelette von einer Biegsamkeit, die jede Kinderturnerin ausstach, überzogen von einer fleisch- und hautimitierenden Gummischicht, gesteuert von einem Gespinst von über den Körper verteilten Prozessoren. Die Augen der StimuRobs waren sorgfältig dem Original nachgebildet,
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