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Alien Earth - Phase 2

Titel: Alien Earth - Phase 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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den zurückschnellenden Zweigen zu schützen. Sie schlugen ihm entgegen wie Peitschenschnüre, um beim Aufprall sanft über seine Haut zu gleiten, beinahe streichelnd, beinahe so, als bemühten sich die Pflanzen, ihn, den Menschen, nicht zu verletzen. Seine Beine schmerzten, nicht mehr an die Anstrengung gewöhnt, die ihnen der Laufschritt der Kolonne abverlangte. Seine Lungen schmerzten, nicht mehr an die Schärfe frischer, unfiltrierter Luft gewöhnt. Sein gesamtes Sein schmerzte, als seine Gedanken zu ihrem Ausbruch zurückkehrten.
    Paul versuchte sich auf den Alien zu konzentrieren, der vor ihm marschierte, nein, rannte. Er war eine erbärmliche Gestalt, dünne Arme und Beine, zusammengehalten von einem Sack bleicher, schlaffer Haut. Durch einen langen Riss, der sich schräg über den Rücken seiner FAMH-Uniform zog, konnte Paul die Knochen sehen, die aus dem abgemagerten Fleisch hervorstanden. Der Alien schlurfte ungeschickt. Seine Füße streiften über den Boden. Bei jeder Unebenheit, jedem Stein und jeder Wurzel, die hervorstanden, drohte er hängenzubleiben und zu stürzen. Von Zeit zu Zeit geschah es tatsächlich. Dann fiel der Alien hin, lautlos und ohne dass er versucht hätte, sich abzufangen. Er knallte der Länge nach hin, verharrte einen Augenblick regungslos, als brauche er Zeit, um zu registrieren, was geschehen war, und stemmte sich wieder auf die Beine. Dann rannte er weiter. Kein einziges Mal machte er Anstalten, den Dreck aus seiner Uniform zu streichen oder sich um seine Schürfwunden zu kümmern.
    Paul fiel es schwer, den Alien nicht zu überrennen. Seine Stürze kamen übergangslos, ohne Vorwarnung. Irgendwie schaffte Paul es immer, rechtzeitig anzuhalten. Ständig in Erwartung, dass der Alien hinter ihm ihn umrannte.
    So flohen sie. In einem merkwürdigen Stop-and-go drangen sie immer tiefer in den Wald vor. Von Zeit zu Zeit hielten sie an, ohne dass jemand gefallen wäre. Dann lauschten sie. In sich hinein, kam es Paul vor, und auf die Geräusche, die,
vom dichten Wald gedämpft, von vielen Seiten an ihre Ohren drangen. Gewehrfeuer. Das gedämpfte Knallen von G5-Schüssen, das Rattern von TAR-21. Dazwischen immer wieder Explosionen. Es musste sich um andere Aliens handeln, die wie sie versuchten, sich in kleinen Gruppen davonzuschleichen. Allerdings mit weniger Erfolg: Die Verstärkungen, die das Korps geschickt haben musste, hatten sie aufgespürt.
    Die Aliens lauschten den Kampfgeräuschen mit geschlossenen Augen, dann, nach einer, zwei oder auch fünf Minuten, setzten sie sich wieder in Bewegung, übergangslos, wie es ihrer Art entsprach.
    Sie gelangten an eine Lichtung. Durch eine Lücke im Blätterdach hoch über ihnen - unmöglich hoch - fielen Licht und Regen. Die Aliens hielten an. Keuchend ließ Paul sich auf den Boden sinken. Sein Körper war nach den langen Monaten der Haft weder Bewegung noch Hitze gewohnt. Dazu kamen der Hunger, Durst und Schlafmangel. Das feuchte Gras - oder war es Moos? - kam Paul weich wie ein Bett vor. Marita hockte sich neben ihn, riss ein Büschel davon aus und steckte es sich in den Mund. Schweiß stand ihr auf der Stirn, ihr Gesicht war gerötet, aber sie wirkte weder erschöpft noch niedergeschlagen, eher aufgedreht, als hätte sie sich eben warmgelaufen, als bedeute das Schicksal ihrer Armee kein Ende, sondern einen neuen Anfang. Wolf stand auf allen vieren, hechelte hastig, um die Hitze aus seinem Wolfskörper zu befördern. Er hielt sich abseits von Menschen und Aliens.
    Aus der Ferne, von der anderen Seite des Tals, drang Gewehrfeuer. Die Aliens lauschten ihm starr, dann trat Atsatun auf Paul und Marita zu. Wie alle Aliens blutete er aus Schürfwunden an Armen und Beinen.
    »Ihr kennt euch mit dem Töten auf dieser Welt aus«, sagte der Alien. »Wir wollen nicht getötet werden. Wie gelingt uns das?«
    Marita wischte sich den Schweiß von der Stirn und lächelte den Alien an, als hätte er ihr eben angeboten, sie in die letzten Geheimnisse seiner Art einzuweihen.

    »Keine Angst. Sie werden euch nicht töten«, sagte sie. »Ihr seid zu wertvoll.«
    »Auch nachdem wir getötet haben?« Atsatun legte den Kopf, den er merkwürdig schief gehalten hatte, auf die andere Seite. »Sie werden uns fangen und wieder einsperren. Unsere Körper werden der Gefangenschaft nicht mehr lange standhalten, das hast du selbst gesagt. Wir wollen nicht gefangen werden. Wie gelingt uns das?«
    Aus der Ferne, aus der Richtung, die Paul als »hinter ihnen« bezeichnet

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