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Alien Earth - Phase 2

Titel: Alien Earth - Phase 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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erste Frage hatte er eine Antwort gefunden. In Teilen wenigstens. Er war aus den Zügen entkommen.
    Die zweite Frage … er war im Begriff, die Antwort saß vor ihm.
    Sie waren zu dritt: Er selbst, Dr. Nelson, der auf Blitz’ selbstmörderische Eröffnung hin zu Rainers anhaltender Verwunderung nicht augenblicklich Homeland Security gerufen hatte, und Blitz. Sie saßen in einer Reihe an einem Tisch, auf bequemen, ergonomisch ausgetüftelten Stühlen, vor sich Gläser und Tassen aus einem Weichplastik, das glibberig in den Fingern lag und unmöglich als Waffe dienen konnte, weder gegen andere noch gegen sich selbst. In den Gläsern war kühles Wasser, in den Tassen lauwarmer Kaffee, zu kalt, um sich oder anderen etwas anzutun. Mit Ausnahme vielleicht, ihn zu trinken. Rainer hatte einen Schluck probiert und hätte ihn am liebsten wieder ausgespuckt. Es stimmte, was Mahmut immer witzelte: Amerikaner brachten alles hin, nur keinen anständigen Kaffee.

    »Wieso haben Sie mich hierher bringen lassen?«
    Jenseits des Tischs, auf einer Bank ohne Lehne, saß Häftling MS-H-481720. Er stank nach Müll, Schimmel und Meer und trug Hand- und Fußfesseln, verbunden durch eine schwere Kette, die an einem dafür vorgesehenen Ring am Boden befestigt war. Ließ der Häftling die Hände im Schoß, konnte er einigermaßen aufrecht sitzen.
    Blitz hatte vorgeschlagen, das Arrangement zu verändern, um ihm den Anschein von Würde zu gewähren, aber Nelson hatte abgelehnt. Den Häftling von dem Sammler-Trawler am Pazifikstrudel anzufordern, auf dem er seine Strafe verbüßte, ihn in Abwesenheit des obligatorischen Wachpersonals im Zellentrakt unter der Transamerica-Pyramide zu vernehmen, die automatischen Überwachungs- und Dokumentationssysteme zu manipulieren, um ihnen eine halbe Stunde der Ungestörtheit zu ermöglichen … Nelson operierte bereits am Limit. Entschlösse sich einer der Wächter, die nicht der Klinik, sondern direkt Homeworld Security unterstanden, einen Blick in den Vernehmungsraum zu werfen, und fände dabei eine Szene vor, die nicht in jeder Einzelheit den Regularien entsprach … es wäre das Ende für sie alle.
    »Es geht nicht um Verfehlungen Ihrerseits, Mr. Siukovich«, sagte Nelson. »Wir wollen uns nur mit Ihnen unterhalten.«
    Der Häftling zuckte zusammen, als trage er ein Halsband, das ihm einen elektrischen Schlag ausgeteilt hatte. Rainer wusste, was in ihm vorging. Wir wollen uns nur mit Ihnen unterhalten. Nelson hatte es gut gemeint, hatte beruhigen wollen. Aber Nelson hatte nie am eigenen Leib erfahren, was es bedeutete, ein Häftling zu sein. Er hätte es nicht ungeschickter anfangen können. Wir wollen uns nur mit Ihnen unterhalten bedeutete, dass Häftling MS-H-481720 aufgefallen war. Melvin Siukovich konnte nicht mehr länger darauf hoffen, eine unter Millionen Nummern im System zu sein, welche die ihr vorgeschriebenen Kreise unauffällig und - im Rahmen des Möglichen - ungestört durchlief, um schließlich irgendwann, mit etwas Glück, von ihm wieder ausgespien zu
werden. Das war vorbei. Der Lauf war gestört. Jemand, der Macht über Melvin Siukovich hatte, war auf ihn aufmerksam geworden.
    »Worüber wollen Sie sich mit einem einfachen Häftling wie mir unterhalten?« Siukovich versuchte, sich die Angst nicht anmerken zu lassen. Es gelang ihm nicht ganz. Seine Stimme war eine Tonlage zu hoch, er sprach die Worte etwas zu hastig.
    Dabei war dies die Frage, die auf der Hand lag. Warum gerade ihn? Warum ausgerechnet Häftling MS-H-481720? Was unterschied Häftling Melvin Siukovich von den anderen 35 Millionen Häftlingen - die Zahl hatte Rainer von Nelson, der es wissen musste -, die allein in Nordamerika der Jurisdiktion von Homeworld Security unterstanden?
    »Über Ihre Vergangenheit«, sagte Nelson.
    »Das ist nicht Ihr Ernst.« Siukovich blickte von Nelson zu Rainer zu Blitz. Rainer fragte sich, was er sich aus dem Anblick machte. Mit Psychiatern wie Nelson mochte er bereits zu tun gehabt haben. Aber er selbst? Araber und Amerikaner, hatte er gelernt, taten sich schwer, ihn einzuordnen. Sie schätzten ihn zu jung oder zu alt, zu wichtig oder zu unwichtig. Irgendwas fehlte ihm, was sie leitete. Siukovich war Amerikaner, ihm würde es nicht besser gehen. Andererseits: Konnte man seiner Akte trauen, hatte der Mann vor ihm Monate in einem Zug eingesperrt verbracht, genauso wie er selbst. Merkte Siukovich es ihm an? Und was musste er sich für einen Reim darauf machen, dass ein Kind an seiner

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