Alien Earth - Phase 3
immer in den Welten gefangen sein, die aus ihnen heraus erwuchsen. Die Seelenbewahrer, deren Seelen an ihre Körper gekettet waren, wussten nicht, woher diese fremden Seelen kamen. Und selbst, wenn sie es erfuhren, würden sie Jahrtausende benötigen, darauf zu reagieren.
Zwei Millionen Seelenspringer durchbrachen die Mauern ihrer Gefängnisse und sprangen in Menschenkörper. Für viele von ihnen bedeutete der Transfer den Tod. Der Schock der Freiheit, der Schock, den ein neuer Körper unweigerlich bedeutete, hielt sie in der Starre. Instinktiv fielen sie in eine Haltung
zurück, die die längst vergessen geglaubten Erfahrungen diktierten: Sie stellten sich tot.
Die Springer fielen Menschen zum Opfer, die in ihrer Furcht jeden töteten, der anders schien als sie selbst. Sie starben an Krankheiten, sie verhungerten oder verdursteten oder sie gingen an ihrer Unerfahrenheit mit Menschenkörpern ein. Es war ein furchtbarer, aber unvermeidlicher Preis. Doch wer den Sprung zur Erde machte, hatte um die Gefahren gewusst. Und nachdem die Springer Tausende von Leben in ihren Seelengefängnissen verbracht hatten, genügte der Überdruss mit sich selbst, um jede andere Existenz verlockender erscheinen zu lassen als die Gefangenschaft. Selbst die Nicht-Existenz.
Pasong brach aus seinem Gefängnis auf Sigma V aus. Er fand sich in einem Menschen mit dunkler Haut wieder, und das erste Licht, das er auf der Erde erblickte, war das der Flutlichter des Fußballstadions, in das sich Zehntausende Menschen geflüchtet hatten, um die Reise nach Sigma V anzutreten. Pasong schloss die Augen, sog die Luft der neuen Welt tief ein, spürte die neue Welt, die dieser Menschenkörper darstellte - einen Augenblick lang. Dann rief er seine Seelensplitter zu sich zurück. Neun nutzlos gewordene Körper im Orbit starben, neun Menschen der Erde stellten fest, dass die Stimme in ihrem Kopf, die sie über Jahre hinweg beherrscht hatte, jäh verstummt war.
Pasong machte sich an die Arbeit. Er litt nicht unter Schock, er musste sich nicht eingewöhnen. Seine Seelensplitter hatten jahrelang in Menschen und unter Menschen gelebt. Sie hatten über der Erde im Kundschafterschiff geschwebt, von ihrer Warte aus hatten sie gelernt, was es über die Menschen zu lernen gab.
Pasong war bereit. Seine Seele zersplitterte von neuem. Die Splitter verteilten sich über die Erde, schlüpften nach Belieben in Menschen. Es waren kraftvolle Splitter, die nur den Namen mit jenen gemeinsam hatten, die mit dem Kundschafterschiff zur Erde gekommen waren.
Pasong lebte.
Er war ein Schmuggler, Vater von fünf Kindern. Ein Trinker, der jede Nacht mit seinem Boot von einer Bucht im Norden Sri Lankas aufbrach, um sein Gut - Lebensmittel und Waffen - zu den Rebellen im Süden Indiens zu bringen. Einige Buchten weiter nahm er neues Schmuggelgut an Bord: Lebensmittel und Waffen für die Rebellen im Norden Sri Lankas.
Er war ein Häftling im hohen Norden Russlands, ein verurteilter Mörder und ehemals guter Sohn. Er baute eine Pipeline, die auf dem zu Sümpfen aufgetauten Permafrost schwimmen sollte. Kaum ein Tag verging, an dem nicht Häftlinge im Sumpf versanken und ertranken, an dem sie nicht auf Leichen stießen, deren Kleider noch lumpiger waren als ihre eigenen. Es waren Häftlinge, die vor über einem Jahrhundert den Weg angelegt hatten, an dem entlang die Pipeline verlaufen sollte. Der Häftling blickte in ihre Gesichter und wusste, dass er in sein eigenes sah.
Er war eine werdende Mutter in Mexiko-City, eine Prostituierte und eine Tochter, die jeden Monat Geld an ihre Familie auf dem Land schickte. Sie liebte das Kind, das in ihrem Bauch heranwuchs. Sie trieb es ab, um weiter arbeiten zu können. Ihre Familie würde ohne das Geld verhungern.
Er war ein junges Mädchen, Klassensprecherin mit einer Schleife im Haar. Es rannte mit dem Freund davon, mit Papas Kreditkarte und seinem Auto. Nach Westen, einfach nur weg von New Jersey. Der Wind spielte mit seinem Haar, und das Leben schien ein Versprechen, das sich erfüllte, wenn man sich nur getraute, seinem Herzen zu folgen.
Er war ein Beamter. Jeden Werktag erschien er um neun in seinem Büro im Ministerium. Um fünf verließ er es. Danach aß er etwas, legte eine Taschenwelt an und schlief. Am Morgen schaltete sich die Taschenwelt aus. Der Beamte lag lange im Bett, bis er aus der Taschenwelt in sein richtiges Leben zurückgefunden hatte. Dann zog er sich an, frühstückte und fuhr zur Arbeit.
Pasong starb.
Er war ein
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