Alien Earth - Phase 3
Kind in China. Ein Neugeborenes. Ein Junge, geboren in einen Land, in dem es viel zu viele seines Geschlechts gab und er nichts wert war. Seine Mutter warf ihn in eine Mülltonne. Er schrie, aber niemand hörte ihn. Irgendwann hörte er auf zu schreien, dann zu atmen.
Er war der reichste Mann der reichen Festung Singapur. Er hasste, wer er war. Er hasste die Maske, die sein Gesicht war. Er hasste das vergoldete Gewehr, das Symbol seines Status. Er war gefangen. Es gab nur einen Ausweg. Die Sekunden nach dem Absprung vom Lee Kuan Yew-Tower, bevor er auf den Boden schlug, waren die schönsten Momente seines Lebens. Er war frei.
Er war der älteste Mensch der Erde, 134 Jahre alt. Er hatte erfahren, was Leben war, und wollte endlich sterben. Pasong erfüllte seinen Wunsch und nahm seine Seele in sich auf.
Pasong starb, doch die Tode wogen nicht auf, was er gewann.
Mit jedem Tod lernte Pasong, mit jedem Tod wuchs sein Wille zu leben.
Er zog sich in die Stadt unter dem Meer zurück, um Kräfte zu sammeln, um zu entscheiden, wie er leben konnte. Anfangs war er allein, aber bald strömten die ersten Seelenspringer in die Stadt. Aus der Starre erwacht, den Gefängnissen ihrer eigenen Seelen entsprungen, waren sie aufgeputscht, übermütig. Pasong überließ ihnen den Meeresgrund, um sich auszuleben. Die Stadt brauchte weder ihre noch seine Arbeit. Sie beruhte auf Bewahrer-Technologie. Sie mussten ihr nur ihre Wünsche mitteilen. Die Stadt würde Wege finden, sie zu erfüllen.
Pasong sagte sie der Stadt.
Und er machte sich daran, selbst Wünsche zu erfüllen. Auf dem Teil der Stadt, der bis zur Meeresoberfläche reichte, war ein Menschenflugzeug gelandet, die Strawberry Bitch . Die Besatzung des Flugzeugs war, mit einer Ausnahme, geblieben. Pasong nahm sich ihrer an.
Da war Diane. Sie war die Pilotin und stand kurz vor dem Tod. Wuchernde Zellen fraßen ihren Körper von innen her auf. Pasong bot ihr an, was in seiner Macht stand. Sie lehnte ab. Diane wollte leben, unbedingt leben. Und sie wollte sterben, denn das Leben schmerzte sie zu sehr. Pasong konnte ihr nicht helfen. Niemand konnte ihr helfen. Schließlich nahm sie den einzig erträglichen Ausweg an: Stasis. Schmerzlose Nicht-Existenz mit der Möglichkeit neuer Existenz. Als sie aus der Stasis zurück war, sorgte er dafür, dass sie im Tod den Frieden fand, der ihr im Leben verwehrt gewesen war.
Da war Wilbur. Er hauste in dem Flugzeug, mit dem die Menschen gekommen waren, in einer Art selbst gewählter Stasis. Der Gedanke, unter die Menschen zurückzukehren, war ihm unerträglich. Der Gedanke, unter den Springern aufzugehen, ebenso. Also blieb er, wo er war. Allein, in einer Imitation von Leben. Pasong gab ihm eine Aufgabe: Er machte Wilbur zum Medium, durch das die Seelen der Menschen von Sigma V berichteten. Wilbur übertrug sie in Ansichtskarten, eine Form, die unter Menschen beliebt war, die ihnen vertraut war. Die Karten gaben Wilbur die Chance nachzudenken, zu einem Schluss über sein eigenes Schicksal zu kommen. Und Pasong hoffte mit ihnen die Menschen zu erreichen. Er trug genug Menschenseelen in sich, um zu verstehen, dass das »Fürchtet euch nicht!« des Kundschafterschiffs das Gegenteil dessen erreicht hatte, was es zu bezwecken suchte.
Da war Hero. Um ihn machte sich Pasong die wenigsten Gedanken. Er lebte in der Stadt am Meeresgrund, unter den überschwänglichen Springern. Ihr Spieltrieb und der seine ergänzten sich und brachten immer neue Blüten hervor. Hero würde leben.
Und schließlich war da Rodrigo. Er war derjenige der Menschen, dem Pasong sich am nächsten fühlte, und gleichzeitig derjenige, von dem er am weitesten entfernt war. Mit Pasongs Hilfe ging Rodrigo in der Stadt auf. Er ließ seinen Menschenkörper hinter sich, wuchs über sich hinaus - und verwandelte sich in eine Form des Lebens, die derjenigen der Springer
zumindest ebenbürtig war. Pasong betrachtete es mit Genugtuung, ahnte er doch, dass Rodrigo eines Tages über Leben und Tod entscheiden würde.
Pasong verfolgte das Schicksal der Besatzung der Strawberry Bitch mit einem Splitter seiner Seele. Ein anderer kümmerte sich um eine Erscheinung, mit der Pasong nicht gerechnet hatte: Die Menschen waren nicht die einzige intelligente Art, die es auf der Erde gab. Es existierten viele weitere. Allen gemein war der Ursprung: Sie waren von Menschen geschaffen. Und allen gemein war die Missachtung, die diese Wesen, man nannte sie GenMods, wider besseres Wissen oder aus
Weitere Kostenlose Bücher