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Alien Earth - Phase 3

Titel: Alien Earth - Phase 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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aus, und Wilbur glaubte in diesen Momenten bei ihm eine Hingabe an den Augenblick festzustellen, die seinem nüchternen Vater im übrigen Leben fremd war.
    Wilbur erwies sich als ein Schütze, der seinem Vater in nichts nachstand, und das, obwohl ihm das Herz bis zum Hals klopfte, wenn er auf ein Tier zielte. Auch er genoss eine gewisse Zufriedenheit: Wenn das Tier getroffen in sich zusammensank und mehr noch, wenn sein Vater ihn lobte. Doch das Lob kam nur schwer gegen ein merkwürdiges Gefühl an, das Wilbur erfüllte: nämlich das, sich versündigt zu haben.
    Es verstörte Wilbur. Wilbur wusste, was Sünde war. Sein Vater war ein gläubiger Mann, Anhänger der Vereinigten Kirche der USAA, einer Verschmelzung von moslemischer und christlicher Tradition, die religiöse Antwort auf den Bund zwischen Amerika und Arabien. Zweimal in der Woche besuchte Wilburs Familie den Gottesdienst, am Freitag in einer
Moschee, am Sonntag in einer Kirche. Dort, so kam es dem jungen Wilbur vor, war zwar jedes zweite Wort »Sünde«, aber es klang hohl in seinen Ohren. »Sünde«, das bedeutete Demut, das bedeutete, sich im Voraus zu entschuldigen - und Wilbur glaubte nicht daran, dass er irgendetwas getan hätte, für das er sich zu entschuldigen hatte.
    Bis sein Vater begann, ihn zur Jagd mitzunehmen. Jedes Mal, wenn er ein Tier erlegte, wusste Wilbur, dass er gesündigt hatte, dass er etwas getan hatte, was er nicht hätte tun dürfen.
    Eines Tags weigerte sich Wilbur, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Sein Vater, der die Geste als öffentliche Bloßstellung auffasste, bestrafte ihn auf jede erdenkliche Weise, um seinen Willen zu brechen, und steigerte doch nur Wilburs Trotz.
    Schließlich delegierte Wilburs Vater die Disziplinierung seines Sohnes an die Institution, an die er unerschütterlicher glaubte als an Gott: das Militär.
    Wilbur überstand die drei Jahre, zu denen jeder männliche Bürger der USAA verpflichtet war, indem er von der Wut auf seinen Vater zehrte. Als die Armee ihn entließ, wusste er nicht wohin mit sich selbst. Wilbur fuhr mit einem LKW-Fahrer, der Container vom Hafen Dubais über die Arabische Halbinsel verteilte. Er machte dem Fahrer Tee, wusch ihm die Wäsche und wickelte die Schmuggelgeschäfte für ihn ab. Im Gegenzug verriet ihn der Fahrer nicht und brachte ihm bei, wie man es anstellte, dass der Laster auch bei 60 Grad Hitze am Tag und bei 0 Grad in der Nacht zufrieden vor sich hinbrummte. Es war das Erwachen von Wilburs lebenslanger Liebe zu Maschinen. Maschinen gaben ihm in den dunklen Stunden der Verzweiflung Halt, Maschinen gaben ihm Lohn und Brot, Maschinen waren seine Welt.
    Doch es existierte noch eine andere Welt. Homeland Security fand ihn, hielt ihn für eine Nacht fest und ließ ihn wieder laufen. Wilbur war volljährig, er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, was eine Verurteilung gerechtfertigt hätte. Er war nur einer von vielen jungen Männern, die Schwierigkeiten
damit hatten, ihren Platz im Leben zu finden. Die Festnahme war eine Warnung gewesen.
    Wilbur verstand sie, nach außen hin. Er fand Arbeit in einer Werkstatt und verkroch sich unter den Motoren der Autos, die zur Reparatur vorgefahren wurden. Später gelang es ihm, bei einer kleinen Fluggesellschaft unterzukommen und deren Maschinen zu warten.
    Dann kamen die Aliens, und Wilbur beschloss, dass es nicht mehr genügte, sich in Werkstätten vor der Welt zu verstecken. Er reiste in den Iran, vorgeblich um die Stätten zu besichtigen, an denen sein Vater für die USAA gekämpft hatte, ließ Teheran links liegen und schlich sich davon. Er fuhr nach Osten, einfach immer weiter nach Osten, bis er die USAA - wie durch ein Wunder unbehelligt - hinter sich gelassen hatte. Später sollte er erfahren, dass es kein Wunder gewesen war. Niemand, der bei Verstand war, floh aus dem irdischen Paradies. Und auf jemanden, der den Verstand verloren hatte, konnten die USAA verzichten. Deshalb hatten ihn die Grenzwachen ziehen lassen.
    Wilbur schloss sich der Human Company an. Sie nahm ihn, ohne dass er ein Los hätte ziehen müssen. Wilbur war zu gut mit Maschinen, als dass sich die Company ihn hätte entgehen lassen.
    Der Mensch ist gut, man muss ihm nur Gelegenheit dazu geben.
    Der Glaubenssatz der Human Company zog Wilbur mit unwiderstehlicher Gewalt an. Er schien ihm die Gegenthese zu dem, mit dem er aufgewachsen war. Für Homeland Security, später Homeworld Security, galt jeder Mensch als schuldig. Es war nur eine Frage der Zeit, bis

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