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Alien Earth - Phase 3

Titel: Alien Earth - Phase 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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verschob sich der Funkspruch mehr als eine Minute nach hinten, zeigte an, dass Rodrigo und Hero dem Saturn näher gekommen waren. Wilbur unternahm keinen Versuch, Kontakt mit seinen Kameraden
aufzunehmen. Ein Gefühl sagte ihm, dass sie ihm ohnehin nicht zuhören, geschweige denn antworten würden. Und selbst wenn sie es täten: Was hätte er davon gehabt? Rodrigo und Hero hatten getan, was sie für richtig hielten. Jetzt waren sie viele Millionen Kilometer weg von ihm. Selbst wenn sie Zweifel oder gar Reue verspüren sollten, war es zu spät. Was immer der Fall sein mochte, es war egal. Die Wut, die Wilbur auf sie verspürt hatte, war erloschen. Sie hatte dem Ansturm der Eindrücke, die seine neuen Sinne ihm vermittelten, nicht standgehalten.
    Nein, wenn er Beistand wollte, musste er ihn woanders suchen. Er tat das Naheliegende und nahm die Suche nach Diane auf. Es war vergeblich. Was die Gesamtheit der menschlichen Wahrnehmung anging, existierte sie nicht mehr. Und auf die Aliens hatte Wilbur keinen Zugriff.
    Melvin vielleicht? Er fand ihn rasch. Melvin lebte. Oder besser: Er hatte es zumindest bis vor Kurzem getan. Wilbur stieß auf ihn im Millionenheer der Häftlinge, die Homeworld Security über die Jahre angesammelt hatte. Die US Alien Force hatte ihn vor Guam aus dem Pazifik gefischt und Homeworld Security übergeben. Er hatte einige Monate im Nordpazifik zugebracht, auf einem Trawler, der alten Plastikmüll fischte, als Brennmaterial für Kraftwerke. Anschließend hatte Melvin sich freiwillig auf eine unterseeische Schürfstation vor der Küste Oregons gemeldet. Und dann … dann stieß Wilbur auf widersprüchliche Berichte. Ein Unfall hatte die Station zerstört, behauptete einer. Ein anderer meinte, sie sei einem Angriff der Seelenspringer zum Opfer gefallen. Ein weiterer berichtete von einem Häftlingsaufstand. Was immer geschehen war, der Vermerk in Melvins Akte war eindeutig: vermisst . Wilbur forschte weiter nach und stieß auf ein Bild Melvins, aufgenommen von einer Überwachungskamera der Schürfstation einen Tag, bevor er Homeworld Security entschlüpft war. Wilbur kannte das Bild. Melvin in einem Taucheranzug. Rodrigo hatte es Diane gezeigt, um sie dazu zu bewegen, aus der Superhero zu steigen und die Seelenspringer aufzuhalten.
Wilbur betrachtete das Bild lange. Melvin wirkte noch hagerer als gewöhnlich. Ängstlich. Aber da war noch mehr. Trotz und, sorgfältig verborgen, ein Anflug von Hoffnung. Wilbur war klar, das bedeutete: Melvin musste einen Plan gehabt haben. Er lebte noch. Diane hatte also eine Chance, sollte auch sie noch leben. Der Gedanke tröstete Wilbur.
    Und was war mit Rudi, dem Jungen? Wilbur benötigte nur einen Augenblick, um Hunderte Spuren von ihm zu finden. Überwachungskameras überall auf der Welt hatten sie festgehalten. Sie zeigten den Jungen meist in der Pilotenuniform; an seiner Seite, als wäre er ein Diener, ein dürrer, kleiner Schwarzer: Pasong, der Anführer der Seelenspringer. Rudi sah nicht gut aus. Er wirkte unglücklich. So unglücklich wie er selbst, Wilbur. So, als wisse er mehr, als er sich je gewünscht hätte, und werde von diesem Wissen erdrückt. Was tat Pasong ihm an? Wilbur forschte, aber ohne Erfolg. Die letzte Aufnahme von Rudi lag Wochen zurück. Auch er war verschwunden.
    Diane, Melvin, Rudi … damit hatte Wilbur das Reservoir an Menschen, die er Freunde genannt hätte, erschöpft. Was war mit seiner Familie? Er streckte seine digitalen Finger aus. Er fand alle dort, wo er sie vermutet hatte: seinen Vater in dem Grab am Fuß des Jebal Akdar, des Grünen Berges, auf das er ein halbes Leben gespart hatte; seine Mutter in dem Pflegeheim in einer Vorstadt Dubais, in einem tiefen Koma, das Wilbur an Dianes Stasis erinnerte; seine Brüder auf ihren Posten als Polizisten; seine Schwestern mit ihren vielen Kindern dort, wo sie hingehörten: zu Hause.
    Sie lebten ihre kleinen Leben, als gäbe es keine Aliens. Als ginge es in diesem Leben nur darum, es Tag um Tag abzuwickeln, seinen Pflichten nachzugehen. Als gäbe es nicht ihn, Wilbur, der über ihren Köpfen schwebte und mit einem Gedanken ihre Leben beenden könnte.
    Wilbur hatte die Wahl. Er konnte seine virtuellen Hände in den Schoß legen und die nächste Angriffswelle der Seelenbewahrer passieren lassen. Oder erledigte es einfach selbst und
ließ die Patronenschiffe des Abwehrnetzes auf die Erde stürzen und sie umpflügen. Die Überlebenden - sollte es welche geben - hätten die Chance, noch einmal

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