Alien Earth - Phase 3
Srinagar 290 000 (offiziell), 2,6 Millionen (inoffiziell). Beide Seiten werfen einander vor, den Erstschlag geführt zu haben.
2039
»Die Kraft der Kirschblüte«, besser bekannt als »Cherry Bomb«, nimmt den Beschuss Festlandchinas auf. Das Geschütz ist in den Bergen Zentral-Taiwans versteckt und feuert seine Granaten über Entfernungen von bis zu 230 Kilometern weit. Es verstummt nach 27 Tagen und wird von den volkschinesischen Truppen, die die Insel im Anschluss erobern, vergeblich gesucht. Im Netz kursiert eine angebliche taiwanesische Überlieferung, »die Kraft der Kirschblüte« werde ein letztes Mal zum Leben erwachen und einem geplagten Volk die Freiheit verschaffen.
2058
Am 29. Oktober findet ein koordinierter Angriff der Killersatelliten aller menschlichen Staaten auf das in den Orbit eingeschwenkte Alien-Schiff statt. Der Angriff endet mit einem K.-o.-Sieg der Aliens: Ihr Schiff bleibt unbeschädigt, kein einziger Satellit übersteht die Attacke.
2065
Ein Einsatzkommando der US Alien Force desinfiziert am 7. Oktober die ehemalige verbotene Stadt Wiljutschinsk auf der russischen Halbinsel Kamtschatka unter Einsatz einer Neutronenbombe. Die Zahl der getöteten Aliens und Menschen ist unbekannt. Experten sehen in der angewandten Neutronenbombe eine Weiterentwicklung: Wie Bilder einer russischen Aufklärungsmaschine belegen, übersteigt die physische Zerstörungskraft der Bombe nicht die einer gewöhnlichen Fliegerbombe. Aus Angst vor weiteren Schlägen der US Alien Force bleibt die Stadt verlassen.
2066
Die Seelenspringer-Aliens schießen im September und Oktober 2066 mithilfe eines elektromagnetischen Riesengeschützes insgesamt 60 000 Kleinraumschiffe in die Umlaufbahn der Erde. Ihre Bewaffnung ist unbekannt, aber es ist damit zu rechnen, dass sie einen Rumms veranstalten können, wie ihn die Erde noch nie erlebt hat - und den sie kaum überleben kann.
- Auszug aus AlienNet-Subprojekt »Alien Earth - der Atlas der neuen Erde«,
Subkategorie »Wissenswertes«
Stand: 15. Oktober 2066
KAPITEL 13
Wilbur war allein.
Mit sich selbst und zehn Milliarden Menschen.
Er schwebte in der Superhero 36 000 Kilometer über der Menschheit und war mit ihr über den Helm verbunden, den Hero für ihn konstruiert und ihm aufgesetzt hatte. Für Wilbur, der seinen Mitmenschen mit Misstrauen begegnete und am zufriedensten war, wenn er ungestört an einem Triebwerk oder Motor tüfteln konnte, war es weder eine erstrebenswerte noch eine freiwillige Verbindung. Tagelang hatte er versucht, den Helm abzusetzen, den Hero ihm übergestülpt hatte, aber er schien fest mit seinem Kopf verbunden. Zog er an dem Helm, fühlte es sich an, als reiße er sich die Haare aus. Zog er fester, wurde der Schmerz so stark, dass er sich stöhnend zusammenkrümmte und ohne Halt durch die Superhero schwebte. Es gab nur einen Schmerz, der schlimmer war: wenn er den Helm in der Hoffnung, den ihm aufgezwungenen Mix aus Alien- und Menschentechnologie niederzuknüppeln, gegen die Bordwand der Superhero rammte.
Und sobald der Schmerz nachließ, kamen die Stimmen zurück. Er hörte zehn Milliarden Menschen telefonieren, er las ihre Mails und Nachrichten, über Millionen von Kameras verfolgte er, was sie mit ihren Leben anfingen.
Im Augenblick waren das vor allem drei Dinge: Sie fürchteten sich, sie flohen, und sie führten Krieg.
Der Krieg - oder waren es die Kriege? - quälte ihn am meisten. Wilbur hätte weggesehen, hätte er es nur gekonnt. Er war ein nüchterner Mann, er sah Leid als das, was es war. Es war weder eine Prüfung, die eine Gottheit Menschen auferlegte,
noch eine Bestrafung. Es war keine wertvolle Erfahrung, aus der man als besserer Mensch hervorging. Es war kein Naturgesetz, dem man hilflos ausgeliefert war und mit dem man sich besser arrangierte. Leid war einfach etwas, dem sich ein Mensch entzog, so gut es ihm gelang.
Der Helm ließ es nicht zu. Oft schwebte Wilbur vor der Cockpitscheibe, sah zur Erde hinunter und tat, was er seit seiner Kindheit nicht mehr getan hatte und ein strammer Golf-Amerikaner und Offizierssohn auch niemals tun durfte: Er weinte. Er heulte Rotz und Wasser. Wieso auch nicht? Es linderte den Schmerz, und Wilbur musste kein Gesicht wahren, weder vor sich selbst noch vor anderen. Hero war fort, Rodrigo ebenfalls. Der Lauscher hatte sogar seinen Körper mitgenommen. Wilbur vermisste ihn jedes Mal, wenn er an der Stelle der Bordwand vorbeischwebte, an der er eingeklinkt gewesen
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