Alien Earth - Phase 3
sich eine Lawine von Wracks und Wrackteilen über die leuchtende Kuppel ergießen, die Feuerland ausmachte. Und dann … niemand wusste zu sagen, was dann geschehen würde. Die Sprengung der Roosevelt und ihr Effekt auf die Schiffswracks waren berechenbar. Menschenwerk wurde von Menschenwerk in den Händen von Wesen vernichtet, die selbst wiederum nichts anderes als Menschenwerk darstellten. Aber die Kuppel Feuerlands war von den Aliens erschaffen. Melvin, Eric und die Smarties hofften darauf, dass sie unter dem plötzlichen Aufprall kollabieren würde. Dann würde die Tiefsee sich Feuerland mit einem furchtbaren Schlag zurückholen, und die Seelenspringer würden vielleicht niemals herausfinden, dass der Untergang der Kuppel nicht einem Unfall, sondern Sabotage zu verdanken war. Die Smarties würden unbemerkt entkommen und hatten die Chance, an irgendeinem versteckten Winkel der Erde noch einmal neu anzufangen, ungestört von Seelenspringern oder Menschen. Hielt die Kuppel stand, hofften sie zumindest auf einen gewissen Vorsprung. Auch die Seelenspringer würden Zeit benötigen, sich von dem Schock über die Verwüstung Feuerlands zu erholen. Bis sie festgestellt hatten, dass die Smarties mit den beiden Menschen geflohen waren, würde einige Zeit vergehen. Genug, hoffentlich, damit sie davonschlüpfen konnten.
Zurück bleiben würden mehrere tausend schwerverletzte Smarties und Menschen, die in Stasis darauf warteten, dass man sie eines Tages aus der Erstarrung holte und heilte. Sie mussten sie zurücklassen, wollten sie auch nur eine Chance haben, dass ihre Flucht gelang. Melvin versuchte sich einzureden, dass die Verletzten nichts von ihrem Tod merken würden, dass sie eigentlich schon tot waren, aber es wollte ihm nicht gelingen, das Gefühl von Schuld abzuschütteln.
Er stürzte sich auf seinen Teil ihres Fluchtplans, um nicht daran denken zu müssen. Er war der auserkorene Hirte der
Smarties. Sie erwarteten von ihm, dass er ihnen den Weg wies. Melvin machte sich daran, Feuerland gründlich zu durchsuchen. Er brauchte Orientierung. Die Bordcomputer der Wracks, die sie ihm auf einen Klick hin gegeben hätte, waren zerstört. Salzwasser vertrug sich nicht mit Computern. Also suchte er altmodische Karten, allerdings spezielle: bathymetrische, die das Höhenprofil der Meeresböden nachzeichneten. Am dritten Tag seiner Suche wurde er in einem Fischtrawler fündig, der vor beinahe einem halben Jahrhundert in der Beringsee im Sturm gesunken war. In einer Kabine fand er eine Karte aus Plastik, die dem Salzwasser und anderen Unbilden widerstanden hatte. Ein Teil war von den Zähnen eines hungrigen Raubfischs durchlöchert. Melvin grenzte die Position Feuerlands ein. Von ihren Missionen her wusste er, dass Feuerland in der Nähe einer Kette von Inseln lag, den Aleuten, am Südrand der Beringsee. Die Meerestiefe in diesem Gebiet betrug etwa 3500 Meter. Im Süden schlossen sich der Aleutische Tiefseegraben und jenseits davon der offene Pazifik an. Im Norden, Westen und Osten war es nicht weit bis zum Land. Die äußersten Ausläufer Sibiriens und Kanadas konnten die Smarties innerhalb von Stunden erreichen. Vielleicht gelang es ihnen, in der Wildnis dort einen Unterschlupf zu finden. Menschen gab es in diesen Gegenden, wenn überhaupt, nur wenige. Melvin fand in der Kabine eines Seemanns auf einem Arterienfrachter einen alten Papieratlas. Das Buch hatte in einer wasserdichten Plastikhülle den Untergang des Schiffs überstanden. Anhand der wenigen Karten, die ihr potenzielles Fluchtgebiet beschrieben, prägte er sich den Verlauf der Küsten und insbesondere die Lage von Siedlungen ein. Sie mussten sie meiden - die Siedlungen ebenso wie die Homeworld-Security-Lager, die es überall in Alaska gab. Sie waren auf keinen Karten verzeichnet. Sibirien erschien Melvin die bessere Wahl. Dort existierte nicht mehr genug Staatlichkeit, um ein Lagersystem zu unterhalten. Melvin studierte die Karten und arbeitete eine Fluchtroute aus.
Dann, am sechsten Tag, stürmte Eric Pinero in Melvins Kabine.
»Melvin!«, rief Pinero aufgeregt. »Melvin, es ist so weit! 59b sagt, die Smarties sind vollzählig! Wir können los!« Pinero stand der Schweiß in Perlen auf der Stirn. Er musste den ganzen Weg von seinem Operationssaal aus gerannt sein.
»Jetzt schon?«, erwiderte Melvin. Der Augenblick der Entscheidung war da, und Melvin stellte fest, dass er nichts lieber getan hätte, als für immer in der Kabine zu bleiben, über Karten zu
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