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Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Titel: Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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ihrer Gegenwart noch nie über Kälte beklagt hatte. Er war überraschend groß und beinahe hager, trotz der Unmengen an Essen, die er vertilgte. In einem schlichten braunen Hemd und ebensolcher Hose sah er aus wie der arme Vetter des prächtig ausstaffierten Lodesh.
    Lodesh war der einzige Bewahrer, mit dem die Feste sich heutzutage noch schmücken konnte, und er war zugegebenermaßen schneller mit seinen Bannen als Alissa, obwohl sein Status eigentlich niedriger war. Vor fast vier Jahrhunderten war er der Vogt der nahen, nun verlassenen Stadt Ese’ Nawoer gewesen. Mittlerweile verbrachte er einen Großteil seiner Zeit damit, ihr beim Üben neuer Banne zu helfen.
    Er trug Bewahrer-Kleidung aus einem feinen, dunkelgrünen Stoff, der seinem Stand als Stadtvogt angemessen war. An einer Kette um seinen Hals hing ein silberner Anhänger in Form einer Euthymienblüte. Sie war das Symbol seiner Stadt, das sich auch auf seinem schweren Ring wiederfand. Wie Strell, so hielt auch er Kinn und Wangen frei von jeglichem Anflug eines Bartes, weil er wusste, dass Alissa das lieber mochte. Der Bewahrer gab mit seinem blonden Haar, den grünen Augen und der selbstsicheren Haltung eine beeindruckende Figur ab, doch es war Strell, an dem Alissas Blick hängen blieb.
    Alissa seufzte frustriert. Strell, der ihr das Leben gerettet, Nutzlos aus seiner Zelle befreit und sie wieder zu Bewusstsein gebracht hatte, als sie wild geworden war – der niemals ein Bewahrer sein konnte, weil er nie in der Lage sein würde, auch nur den einfachsten Bann zu wirken, und ihr deshalb verboten war. Strell war es, den sie liebte. Strell und das Lächeln, das er nur ihr schenkte, und nur dann, wenn sie allein waren.
    Die beiden Männer bahnten sich einen Weg durch die Verwüstung, offensichtlich tief beeindruckt. Selbst von ihrem Versteck hinter dem Baum aus konnte sie Strell die Sorge deutlich ansehen. »Kannst du ihre Gedanken schon erreichen?«, fragte er Lodesh, nachdem die beiden frisches Blut an ein paar Blättern gefunden hatten. Eine solche Frage war eine Seltenheit und bewies, wie besorgt Strell wirklich war. Sie wusste, wie ungern Strell Lodeshs Fähigkeiten als Bewahrer zur Sprache brachte. Denn das betonte nur Strells eigenes Unvermögen.
    »Nein.« Zuversichtlich stemmte Lodesh die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. »Sie ignoriert mich, also geht es ihr gewiss nicht schlecht. Offensichtlich hat sie ihre Raku-Gestalt aufgegeben.«
    Alissa richtete ihre Gedanken so aus, dass Strell sie in seinem Geist hören konnte. Eigentlich sollte sie auf diese Weise niemanden als einen anderen Meister erreichen können, doch Alissa scherte sich nie darum, was als unmöglich galt, und schaffte es, nicht nur mit Meistern und Bewahrern in deren Gedanken zu sprechen, sondern auch mit Strell. Nutzlos sagte, das liege daran, dass sie ihr Leben als Mensch und nicht als Raku begonnen habe, weshalb ihr Geist gezwungen gewesen sei, menschliche Strategien für verbales Sprechen zu entwickeln. Ihr war das gleich.
    »Strell?«, dachte sie also, obwohl sie wusste, dass er ihr nicht antworten konnte. »Sag Lodesh nichts. Ich bin hier drüben.«
    Sie lächelte, als sie schwach seine aufbrandenden Gefühle empfing: Erleichterung vermischt mit kribbelnder Vorfreude. Ihr Lächeln wurde breiter, als er sich Lodesh zuwandte. »Hier ist sie jedenfalls nicht«, sagte Strell, und die Lüge kam ihm so überzeugend über die Lippen wie eine seiner zahllosen Geschichten. »Wie wäre es, wenn wir uns aufteilen? Ich suche den Wald ab. Du könntest nachsehen, ob sie schon zur Feste zurückgekehrt ist.«
    »Gute Idee.« Lodesh betrachtete noch einmal kopfschüttelnd die Zerstörung um sie herum, ging dann über die neu entstandene Lichtung und verschwand unter den Bäumen. Auf seinem Handgelenk keckerte Kralle erzürnt. Der Vogel wusste, dass Lodesh in die falsche Richtung ging.
    »Alissa?«, flüsterte Strell, sobald Lodesh fort war.
    »Ich bin hier, Strell«, rief sie und trat hinter dem Baum hervor.
    Er strahlte, und seine Schultern sanken erleichtert herab, als er erkannte, dass ihr nichts fehlte. Mit langen, freudigen Schritten überquerte er die Lichtung.
    »Warte«, sagte sie erschrocken. Sie hob abwehrend die Hand, ehe er sie in seine Arme ziehen und der ganzen Welt ihre halbnackten Füße zeigen konnte. »Ich habe meine Schuhe verloren.«
    Strell blieb stehen wie angewurzelt. Er runzelte die Stirn und umfasste ihre Schultern mit beiden Händen. »Geht es dir

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