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Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Titel: Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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versuchte, das Gleichgewicht zu finden. Er krachte schmerzhaft gegen einen Baumwipfel. Sie war aus dem Aufwind heraus und befand sich wieder über den Bäumen. Ohne die aufsteigende Luft unter ihr fiel sie wie ein Stein. Eine gewaltige Tanne ragte vor ihr auf. »Bestie!«, kreischte sie.
    Bestie versuchte, die Kontrolle an sich zu reißen, doch Alissa war so panisch, dass sie nicht loslassen wollte. Mit wild schlagenden Flügeln krachte Alissa durch das Blätterdach. Äste so dick wie ihr Arm brachen unter ihrem Gewicht. Schmerz raste durch ihre Schwingen. Verzweifelt kämpfte Alissa darum, sie zusammenzufalten. Doch ihr blieb nicht einmal genug Zeit, um nach Luft zu schnappen, als der Boden auf sie zustürzte.
    Sie schlug hart auf. Ungebremst rollte sie über den Boden. Unterholz und kleine Bäume knacksten. Sie überschlug sich weiter, bis sie gegen einen Baum krachte. Ihr langer Hals wurde seitwärtsgeschleudert, ihr Kiefer schlug auf dem Boden auf. Der Baum erschauerte und ließ tote Nadeln zu Boden rieseln und Vögel hastig auffliegen. Alissas Mund füllte sich mit Blut. Sie hatte sich auf die Zunge gebissen.
    »Oh, Asche«, stöhnte sie laut, doch die Worte drangen als schmerzerfülltes, kehliges Brummen aus ihrem Maul. Kralle flatterte herab, ließ sich auf ihrem Kopf nieder und grub die Krallen in Alissas kahle, ledrige Haut. Das tat zwar nicht weh, doch Alissa wedelte hastig mit einer klauenbewehrten Hand, um ihren Vogel zu verscheuchen. Es war dermaßen würdelos, wenn Kralle so auf ihrem Kopf hockte. Der Falke gab ein empörtes Kreischen von sich und flog davon.
    »Alissa?«, erklang ein trockener, angewiderter Gedanke in den Tiefen ihres Geistes. »Du bist der einzige Raku, den ich kenne, der es fertigbringt, in einem Aufwind abzustürzen. «
    »Au«, stöhnte Alissa laut, und ihr volltönendes Grollen drückte mehr Schmerz aus, als es ihre menschliche Stimme vermocht hätte. Langsam rappelte sie sich auf und krümmte sich leidend zusammen. Rot geränderte Kratzer zogen sich über ihre goldene Haut, und die Schmerzen, die sie überall spürte, kündigten wohl Blutergüsse an.
    »Sieh dir nur deine Schwinge an«, schalt Bestie. »Ich fürchte, du hast sie zerrissen.«
    Alissa drehte es den Magen um. Sie streckte die rechte Schwinge aus, wobei sie sorgfältig darauf achtete, keinen der Bäume zu treffen, die auf der von ihr geschaffenen kleinen Lichtung heil geblieben waren. Ihr Schlangenhals wandte sich nach hinten. »Zu Asche will ich verbrannt sein«, dachte sie. Ein Hautsegment dicht an ihrem Körper war durchlöchert und wies einen fast mannslangen Riss auf. Sie blickte zu Boden, um nicht in Ohnmacht zu fallen oder sich zu übergeben. Was würde Nutzlos, ihr Lehrmeister, nur dazu sagen? Er würde ihr eine ganze Woche Flugverbot erteilen.
    »Eine Woche?«, bemerkte Bestie säuerlich. »Das da wird doppelt so lange brauchen, bis es verheilt ist.«
    Alissa sagte nichts und war erleichtert, als ihr wildes Selbst sich zurückzuziehen schien. Am Boden gab es nichts, was Bestie interessierte. Nur Zorn oder das Versprechen auf einen Flug würde Bestie jetzt wieder nach oben in Alissas Bewusstsein bringen.
    Vorsichtig faltete sie ihre Schwinge zusammen und hielt sie ein Stück von sich weg, da sie immer noch blutete. Eine schwache Stimme, die ihren Namen rief, drang durch den Wald. Der Ruf klang gedämpft, da ihr Gehör nun auf tiefere Töne eingestellt war, die ihre menschlichen Ohren gar nicht vernehmen würden. Ihr Herz schlug schneller, als sie Strells Stimme erkannte. Er hatte vermutlich ihren Absturz beobachtet. Eine zweite Stimme kam hinzu, und sie verzog das Gesicht. Lodesh war auch dabei. Das wurde ja immer schöner.
    Dass der stets so gefasste, selbstsichere Geist sie verletzt und beschämt hier vorfand, war das Letzte, was sie wollte. Alissa seufzte. Eigentlich kein Geist. Nicht mehr. Der uralte Stadtvogt von Ese’ Nawoer hatte erklärt, er sei ebenso lebendig wie jeder andere Mann. Sie war geneigt, dieser Behauptung zu glauben, denn Lodeshs Hände waren warm, wenn er sie zum Tanz führte, und seine häufigen, allzu beredten Blicke ließen sie des Öfteren erröten.
    Sie spürte ein schwaches Zupfen an ihrem Geist. Sie erkannte darin Lodeshs Versuch, ihre Gedanken zu erreichen, und baute rasch eine Barriere auf, damit er sie nicht fand. Und sie konnte ja ihre menschliche Gestalt annehmen, um den Riss in ihrem Flügel zu verbergen. In was sich diese verletzte Schwinge allerdings verwandeln würde,

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