Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit

Titel: Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
Vom Netzwerk:
mit glühenden Blicken und ungewöhnlicher Aufmerksamkeit ihr gegenüber ebenfalls deutlich gemacht, dass sie ihm viel bedeutete. Alissa vermutete inzwischen, dass Lodesh einfach abwartete und hoffte, Strell würde irgendwann einen Fehler machen, über den man nicht mehr hinwegsehen konnte. Dann würde Strell aus der Feste verbannt werden, und Lodesh hätte Alissa ganz für sich. Aber vorerst war er offenbar damit zufrieden, ihnen beiden ein Freund zu sein, denn sofern er sich nicht von seinem Fluch befreite, würde er so lange weiterexistieren wie Alissa – in irgendeiner Form. Er brauchte nur zu warten.
    Diese Situation versetzte Alissa in miserable Laune, wenn sie zu lange darüber nachdachte. Aber es war schwer, Lodesh mit seinem Witz und seinem Frohsinn nicht zu mögen. Außerdem wusste sie es zu schätzen, wie standhaft er ihre Launen tolerierte. Sie bereitete sich und den beiden Männern die Hölle auf Erden, weil sie sich weigerte, das aufzugeben, was ihr Herz begehrte, und sich für das zu entscheiden, was richtig, angemessen und unvermeidlich war.
    Alissa blickte zu Lodesh auf, dessen Gesicht auch im Profil Selbstsicherheit ausstrahlte. Der gut aussehende Bewahrer war gewiss der passendere Gefährte für sie, da ja nun keine Meister mehr da waren, unter denen sie sich einen Partner hätte wählen können. Wenn sie von Lodesh Kinder bekam, könnten diese den Sprung zum Meister schaffen, so wie sie selbst; mit Strell als Vater würden sie es vermutlich nicht einmal zum Bewahrer bringen. Und sie mochte Lodesh … Aber es musste eine Möglichkeit geben, zu bekommen, was sie wollte. Sie hatte sie nur noch nicht gefunden.
    Alissa kniff die Augen zusammen und blieb stehen, als sie am Waldrand ins Licht der untergehenden Sonne traten. Die Feste ragte vor ihnen auf, grau in den tieferen Schatten. Seufzend stieß sie den Atem aus, als sie sich vorzustellen versuchte, wie es hier einst gewesen sein musste, als die Feste noch von Bewahrern, Meistern und Schülern wimmelte. Zu dieser Tageszeit fiel das nicht schwer, in den wenigen Augenblicken, da die Sonne untergegangen, die Lampen aber noch nicht entzündet waren. Sie konnte so tun, als käme die Stille, die auf ihre Ohren und Augen eindrang, daher, dass gerade das Tischgebet gesprochen wurde, und nicht von zwanzig Jahren des Verlassenseins.
    Lodesh bewegte sich neben ihr, und sie warf ihm ein rasches Lächeln zu. Die Sonne war fast untergegangen. Nutzlos hatte inzwischen gewiss einen besonders guten Vortrag darüber vorbereitet, wie man seine Zeit richtig nutzte.
    »Danke, Lodesh«, sagte sie, warf Kralle in die Luft und ging neben ihm weiter. »Wenn du nicht wärst, hätte ich die Zeit womöglich ganz vergessen. Wie viel zu spät bin ich denn?«
    »Du hast ja keine Ahnung, Alissa«, sagte er geheimnisvoll, doch sie konnte nicht erkennen, ob sein erschrockener Gesichtsausdruck echt oder aufgesetzt war.

 
    – 2 –
     

    L odesh hielt mit Alissas flottem Tempo mit, und sie eilten in die kleinere der beiden Küchen in der Feste. »Warum«, beklagte sie sich, »hat sich Nutzlos eigentlich in den Kopf gesetzt, den Unterricht abends abzuhalten?«
    »Du solltest Meister Talo-Toecan wirklich bei seinem richtigen Namen nennen, Alissa.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Er hat mir gesagt, ich dürfe ihn so nennen, und damals war er genau das – nutzlos.«
    »Ein Meister der Feste ist alles andere als nutzlos«, beharrte Lodesh.
    »Mag sein«, brummte sie. »Außer man ist durch sein Wort eingeschränkt, oder durch den Mangel an Fähigkeiten.«
    Lodesh streckte die Hand aus und hielt sie zurück. Beschämt senkte sie den Blick. »Du«, sagte er sanft, »bist nicht nutzlos.« Der reine Duft von Euthymienholz erfüllte ihre Sinne, und seine Hand hob sacht ihr Kinn an. Sie hielt still, während sie einander in die Augen sahen. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte er sich sorgsam bemüht, sie mit subtilen Worten und tiefen Blicken zum Erröten zu bringen. Sie hatte sich daran gewöhnt, und ihre Freundschaft hatte sie seinem beträchtlichen Charme gegenüber immun gemacht – zum Großteil jedenfalls. Außerdem wurde sie sich immer mehr der uralten Trauer bewusst, die sich hinter seinen Augen verbarg.
    Seine Augen selbst waren alt. Darin lag der Schmerz, den Lodesh erlitten hatte, als seine geliebte, verfluchte Stadt gestrauchelt und gefallen war: Er hatte mit ansehen müssen, wie ihre Bewohner dahingingen, eine Familie nach der anderen, wie die einst belebten Straßen leer

Weitere Kostenlose Bücher