Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
musste sie vorliebnehmen. Sie durfte kein Öl ins Feuer gießen, Inés nicht unglücklich machen. Und sie musste froh und dankbar sein, dass sie am Leben war und frei.
Dass der Trencavel für sie entbrannt war, hatte sie bei einem Festmahl entdeckt, das zu Ehren eines seiner Vögte stattfand. Viel zu oft waren Raymonds Augen auf ihr geruht, als dass dies normal gewesen wäre.
In der Nacht darauf hatte sie sich zwei Dinge eingestanden: Der Trencavel besaß das anziehendste Lächeln, das sie je bei einem Mann gesehen hatte, und er begehrte sie.
Aus Scham hatte sie Inés verschwiegen, was alles sie in Cahors am Leibe erfahren hatte. Sie war mit den Füßen gestrauchelt, mit der Zunge musste sie es nicht auch noch tun! Dass sie sich nun so schnell - wenn auch nur im Kopf und im Herzen - in eine geradezu närrische Leidenschaft für den Trencavel stürzte, erschreckte sie zutiefst. Alix begann sich zu quälen, hasste sich für ihre Gefühle und Begierden und glaubte, Bartomeu von Cahors müsse sie verdorben haben.
Kein Wunder, dass sich zwischen ihr und Inés die Herzlichkeit und das Vertrauen nicht wieder einstellen wollten. Die alten Geschichten und Begebenheiten, mit denen Inés versuchte, ihre „arme Schwester“ aufzuheitern, fanden keine Resonanz. Die Tür zur Kindheit war für Alix verschlossen, der Schlüssel in Cahors abhanden gekommen.
Dennoch bemühte sie sich um ein gutes Einvernehmen mit Inés, sie willigte sogar ein, mit ihr jeden Morgen und Abend die Kapelle aufzusuchen, obwohl sie in Cahors auch das kindliche Vertrauen in die Priester verloren hatte. Doch als Pater Hugo sie mit immer eigenartigeren Poenitentialen zur Beichte und zur anschließenden Reinigung von all den Missetaten ihres Leibes und ihrer Seele drängen wollte, und ihr im Falle der Verweigerung oder Zuwiderhandlung mit Höllenstrafen drohte, wurde sie misstrauisch und schloss auch diese Tür. Was ging Hugo ihre Zeit in Cahors an? Und was sollte sie bereuen müssen? Vielleicht den Tag, an dem sie daran dachte, das Scheusal Bartomeu mit dem Leuchter zu erschlagen?
An jenem Morgen, als Alix in der kleinen Amtsstube mit zitternder Hand den Vertrag mit Jofre von Rocaberti nebst einer beiliegenden Verzichtserklärung auf sämtliche Ansprüche unterzeichnet hatte, war sie zum ersten Mal für längere Zeit mit ihrem Schwager allein gewesen.
Der Trencavel - er trug ein weiches, blaues Wams mit schmalen Ärmeln - zeigte ihr stolz die Ledersäcke, die, eng an eng, an den Wänden hingen und das laufende Archiv der Stadt beherbergten. Bereits abgeschlossene Verträge sowie die alten Pergamente, die Stadt-, Land-, Wege- und Flussrechte betreffend, würden zusammen mit den vizegräflichen Schätzen drüben im Tresor-Turm aufbewahrt, erklärte er ihr.
Die Gelegenheit nutzend, fasste sich Alix ein Herz und brachte das Gespräch auf den angeblichen Gewährsmann - oder Späher - des Erzbischofs, der in Carcassonne sitzen sollte.
Der Trencavel, überrascht, drängte sie, noch einmal Platz zu nehmen und ihm zu berichten, was sie auch in aller Offenheit tat. Als sie kurze Zeit später auf den merkwürdigen Brief und den Plan zu sprechen kam, den sie entdeckt hatte, bat sie um Nachsicht.
„Es ist für gewöhnlich nicht meine Art, fremder Leute Schriftwechsel zu lesen, Sénher, doch der Erzbischof unterschlug die Briefe meiner Schwester und …“
„Schon gut, schon gut“, sagte der Trencavel und legte behutsam seine Hand auf ihren Arm. Der Blick, mit dem er sie ansah, ging ihr bis unter die Haut. „Bitte erzählt weiter, Alix. Es handelte sich um Carcassonne und einen Ort im Aude-Tal?“
Alix nickte. „Und um eine Goldmine in einem Berg, der als „Adlernest“ bezeichnet wurde.“
Ungläubig schüttelte der Vizegraf den Kopf.
„Und dann war da noch eine Bibelstelle aus dem Alten Testament vermerkt:
Und das Gewicht des Goldes,
das für Salomo in einem Jahr einkam,
war sechshundertsechsundsechzig Talente …“
„Das Gewicht des Goldes? Der König Salomon?“
„Ihr habt mein Wort, es ist so, wie ich es Euch sage. Ihr müsst wissen“, fügte Alix rasch hinzu, „dass der Erzbischof abscheuliche Messen abhält, bei denen einem Esel gehuldigt wird, dem die Kirche das Gold des geheimnisvollen Landes Saba verdankt.“
Alix` Wangen glühten. Ständig rückte sie den Schleier zurecht, der an ihrem Schapel befestigt war. Inés und Esther hatten schwören müssen, das Geheimnis um ihre Stoppelhaare nicht zu verraten.
„Wisst Ihr denn auch, an
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