Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
wen das Schreiben gerichtet war?“
„An einen gewissen Anicet. Bruder Anicet. Vermutlich ein Mönch.“
„Anicet? Gab es nicht einmal einen Papst dieses Namens?“
„Aber ja, Sénher, er lag mit dem Heiligen Policarpi im Streit.“
„Was Ihr nicht alles wisst!“ Halb spöttisch, halb erstaunt war diese Feststellung gekommen.
„Wundert Euch nicht allzu sehr, Sénher!“ Alix lachte. „Die Geschichte von Anicet und dem Märtyrer Policarpi musste ich dem Erzbischof mehr als einmal vorlesen, wie auch die Apokalypse - die Offenbarung des Johannes. Letztere liebte aber auch mein Vater. Ich hingegen finde diese Verse schrecklich.“
Der Trencavel stand auf und ließ seinen Oheim rufen.
Der alte Saïssac erschrak nicht gering, als er von dieser Sache hörte. „ Jhesu Crist! Ein Verräter unter uns? Anicet? Policarpi? Dazu will mir nur eine Sache einfallen: Die Abtei gleichen Namens, Saint-Polycarpe. Vor Jahren habe ich einen ihrer Äbte ins Gefängnis geworfen.“
Sein Neffe grinste. „Die Geschichte mit der ausgegrabenen Leiche!“
Der Oheim nickte knapp. Dann wandte er sich an Alix: „Die Abtei, die ich meine, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft von Reda, dem zweiten Ort, den Ihr genannt habt“, sagte er. „Anicet und Policarpi!“ Er schüttelte den Kopf. „Dieses Zusammentreffen ist für mich ein Zufall zuviel. Obendrein geht das Gerücht, die dortigen Mönche hüteten ein uraltes Geheimnis.“
„Ein Geheimnis? Dann sind die Mönche von Saint-Polycarpe vielleicht die Hüter der ´Geheimen Worte`?“
Als sie das erschrockene Gesicht Saïssacs sah, hätte sich Alix am liebsten nachträglich auf die Zunge gebissen, denn auch der Trencavel war zusammengezuckt.
“Woher wisst Ihr von den Geheimen Worten?”, herrschte er sie wie einen Dienstboten an.
„Aber ich weiß doch gar nichts darüber, Sénher! Es stand in Bartomeus Kalendarium …“
„Wie, Ihr habt diesen Mann „Bartomeu“ genannt?“ Nun zog der Trencavel auch noch seinen schönen Mund abschätzig nach unten, während der Alte sie voller Abscheu betrachtete.
Alix schluckte. Dann jedoch reckte sie stolz den Kopf. Die Zeiten, in denen sie sich demütigen lassen musste, waren vorüber. „Verurteilt mich nicht, solang Ihr nicht wisst, was mir in Cahors widerfahren ist“, sagte sie leise, aber bestimmt. „Vielleicht erklärt Ihr mir, was es mit den Geheimen Worten auf sich hat, damit ich es mir kein zweites Mal mit jemandem verderbe.“
Der Trencavel warf einen fragenden Blick auf seinen Oheim. Doch der schüttelte heftig den Kopf. Er hatte sich von Alix abgewandt, kramte in einem der Lederbeutel und tat so, als ob er etwas suchte.
„Tut mir leid, darüber können wir mit Euch nicht reden“, sagte der Vizegraf leise. Seine Augen flackerten, und auf seiner Oberlippe stand plötzlich Schweiß.
Die Antwort gab Alix einen Stich ins Herz. Es war offensichtlich, dass man ihr hier nicht vertraute. Doch was hatte sie erwartet? Dass in Carcassonne gänzlich andere Sitten herrschten?
Als sich Alix von Rocaberti nach einer kleinen Verbeugung enttäuscht in ihre Gemächer zurückzog, ließ der Trencavel nach den Cabaret-Brüdern rufen.
„Adlernest? Das kann nur der Bugarach sein, der höchste Berg dieser Gegend“, vermutete Peter, nachdem er seinen Bruder entschuldigt hatte, der mit einigen Rittern und dem Konnetable die Waffenarsenale sichtete. „Schon von weitem sieht man seinen markanten steinernen Adlerkopf aus dem Fels ragen. Und es stimmt, was die Frau erzählt: In seiner Nähe befindet sich Reda und der Bezú, mit der Beobachtungsstation der Tempelritter. Ich frage mich nur, was der Erzbischof von Cahors dort unten zu suchen hat?“
„Eine römische Goldmine hat seine Begehrlichkeit geweckt.“ Saïssac wühlte noch immer in den Säcken.
„Gold?“, der Cabaret lachte auf. „Unmöglich. Die Römer haben nichts zurückgelassen, was sich noch lohnte abzubauen. Wenig glaubhaft finde ich auch, dass der Hundesohn Bartomeu seine Geheimnisse so versteckt hat, dass sie ausgerechnet der Rocaberti in die Hände fallen! Verzeiht, Raymond, ich meinte ...“
„Schon gut.“ Der Trencavel machte eine abwehrende Geste. Seine Stimme klang mürrisch.
„Endlich! Nun seht her“, sagte Saïssac mit triumphierender Stimme. Er legte den beiden das vor, wonach er gesucht hatte: Einen Aufriss besagter Gegend. „Hier ist Carcassonne, dort Reda, daneben der Bugarach und der Bezú. Und hier die Abtei Saint-Polycarpe! Dass sie im Plan des
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