Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
verschlang. Zwar hatten ihr die beiden bislang keinen Anlass zur Eifersucht gegeben, doch die Liebe wittert die Gefahr ...
Alix wusste um Inés` Angst. Längst hatte sie ihre Blicke gesenkt und ihre Wünsche der kalten Wirklichkeit untergeordnet, doch das Herzklopfen, das sie jedes Mal in Raymond-Rogers Nähe befiel, süß und schmerzlich, ließ sich nicht unterdrücken. Sie setzte fortan alles daran, ihre Gefühle gut zu verbergen, um das Feuer nicht zu schüren. Nicht einmal er sollte merken, wie es um sie stand. Die flammende Liebe zum Trencavel war und blieb ihr geheimer Schatz, das bislang einzig Wertvolle in ihrem Leben.
Esclarmonde hatte ihr Foix als Zuflucht angeboten. Doch Carcassonne wieder zu verlassen, sich mit Esther an einen verschwiegenen Ort zurückzuziehen, um dort das Kind zur Welt zu bringen, hatte Alix abgelehnt. Sie gehörte hierher in diese Stadt. Niemand durfte sie aus dem Paradies, der Nähe zu Raymond-Roger, vertreiben. Schließlich hatte sie ihren Preis bereits gezahlt, und sie bezahlte noch immer.
Anfang September erfuhr der Vizegraf von der Freilassung des Grafen von Foix. Urgell hatte endlich nachgegeben, und Raymond-Roger beschloss, das Ereignis gebührend zu feiern.
Nachdem seit langem von irgendwelchen „gefährlichen Kaufleuten aus Cahors“ keine Rede mehr war, bat Alix ihre Schwester darum, an diesem Fest teilnehmen zu dürfen. Sie hatte in den letzten Wochen vor allem wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft nur selten ihre Gemächer verlassen. Als Grund gab sie der Schwester an, dass sie gerne Meister Villaine und seine Spielleute wiedersehen würde. Das stimmte sogar, denn sie musste mit Villaine über eine Sache reden, die vielleicht keinen Aufschub vertrug.
Als Esther ihr das knöchellange Festkleid aus fließender Seide unter der Brust schnürte - es war von einer geschickten Gewandschneiderin genäht und hatte eine andere Farbe als das fußlange Unterkleid - trat plötzlich Inés ein, ebenfalls aufs Feinste herausgeputzt. Ein Kettlein lichter Perlen war um ihren schlanken Hals geschlungen, weitere Kostbarkeiten schimmerten an ihrem grün- und goldfarbigen Gewand aus Barchent.
„Treibt es dich in deinem Zustand wirklich in die Nähe von Menschen, die ein wenig gottgefälliges Leben führen?“, fragte sie beinahe vorwurfsvoll. „Was willst du denn von den Spielleuten?“
Alix sah an sich hinunter. Freilich, es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie gebar, aber sie zählte zu den Frauen, denen man die Schwangerschaft kaum ansah, und das Gewand war vorteilhaft geschnitten. Um ihr Haar zu verdecken, hatte ihr Esther aus dem Stoff des Untergewandes ein breites Schapel gefertigt und mit einer schwarz-goldenen Borte verziert. Der duftige Schleier, der daran befestigt war, erfüllte seinen Zweck. An ihrem Äußeren würde niemand etwas auszusetzen haben, dachte Alix stolz; kein zweites Mal durfte Raymonds Oheim sie aufgrund ungebührlichen Verhaltens in ihre Gemächer verbannen!
Was sie bislang niemandem erzählt hatte, war, dass sie Bertrand von Saïssac an dem bewussten Abend, als sie vor Raymond-Roger das Schapel abnahm, gesehen hatte, aber es war ihr gleich gewesen, was der alte Mann in diesem Augenblick von ihr dachte.
Alix` erste Begegnung mit den Damen der Cabaret-Brüder stand unter keinem guten Stern. Inés hatte ihr vom „sittenlosen Hof“ dieser Leute erzählt, von Na Loba, die Männerkleidung trug, sich bei der Messe nicht bekreuzigte und „unerhört nach Zibet und Moschus duftete“, was doch von der Kirche verboten sei! Sie war gespannt auf diese Frau, doch als sich die Wölfin vor dem Trencavel verbeugte, konnte sich Alix ein spöttisches Lächeln über den goldenen Sperling, der in Na Lobas schwarzem Zopf steckte, nicht verkneifen.
Prompt wurde sie von ihr erwischt. Die nachfolgende Begrüßung fiel kühl aus, sehr kühl, und endete mit einem geringschätzigen Blick der Wölfin auf Alix` schwangeren Leib.
Na Loba war verärgert. Beim anschließenden Festmahl beugte sie sich zu ihrer Schwägerin hinüber. „Welch ungeduldiges Rösslein harrt hier auf einen kräftigen Ritt!“, raunte sie ihr so laut zu, dass es auch ihr Gemahl Jordan hörte, der ihr gegenüber saß. „Sieh sie dir nur an, liebste Brunissende! Ist ihr Kind erst einmal geboren, wird sie sich nicht halten lassen.“
Brunissende, mit jedermann „gut Freund“, lachte auf. „Aber Loba, meine Gute, du wirst doch nicht eifersüchtig auf das junge Ding sein?“
„Ich?
Weitere Kostenlose Bücher