Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
wolle beichten, die Sache vertrüge keinen Aufschub. Einer der Soldaten hatte Pater Hugo geholt und ihn im Kerker mit Otho allein gelassen. Noch bevor die Absolution erfolgt war, so der Pater später, sei der Vogt mit Schaum vor dem Mund zusammengebrochen. Er müsse von den Wachleuten vergiftet worden sein, behauptete Hugo aufgebracht - mit einem vorwurfsvollen Blick in Saïssacs Richtung, als ob dieser „Erzketzer“ selbst hinter dem Anschlag steckte.
Saïssac ließ es sich nicht anmerken, aber er war zutiefst erschrocken. Hatte er mit seiner erfundenen Warnung die Gefahr erst heraufbeschworen? Oder steckte gar Pater Hugo hinter dem Tod des Spähers?
Seine Gedanken drehten sich im Kreis - und blieben irgendwann bei Inés hängen. Wie weit vertraute sie Pater Hugo? Und was, um Himmels Willen - daran hatte er noch gar nicht gedacht - was vertraute sie dem Hofkaplan alles an, wenn sie dreimal täglich ins Oratorium lief, um dort zu beichten?
Nicht Gift, aber ein giftiger Hauch von Misstrauen war plötzlich ins Palatium geweht. Jede offene Beschuldigung in Richtung katholischer Kirche würde augenblicklich die Lunte ans Strohdach der Stadt legen. Katharer gegen Katholiken - wo sie alle friedlich zusammengelebt hatten. Der Unfrieden war erst mit Bischof Bérenger und Otho von Mirepoix gekommen - und jetzt auch noch mit der Rocaberti! Und warum? Weil allen das verfluchte Gold Salomons im Kopf herumspukte, das und andere Reichtümer! Dabei hieß es in der Heiligen Schrift, die für beide Kirchen galt: Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen ...
Eine lähmende Unsicherheit machte sich in dem alten Mann breit, für die es keine Soldaten, keine Pfeile und Lanzen gab, die er zur Abwehr einsetzen konnte. Da auch Saïssac kein Mensch war, der sich in Geduld üben konnte, berief er noch am gleichen Tag das katharische Lager zu sich.
Der Verdacht, Pater Hugo könne beim Tod des Mirepoix` seine Finger im Spiel gehabt haben, stand vielen ins Gesicht geschrieben, doch keiner getraute sich, ihn offen auszusprechen. Wer wollte schon ausschließen, dass es nicht einen weiteren Verräter gab, der unter ihnen saß?
Im Verlaufe der Disputation kamen sie auch auf das Kalendarium des Erzbischofs zu sprechen. Bischof Simorre und die Perfekten waren entsetzt.
„Aber wie kann Bartomeu von Cahors von unseren ´Geheimen Worten` erfahren haben?“, flüsterte Simorre.
Peter von Cabaret hob die Hand. „Haben wir nicht selbst die Schriften kurz erwähnt? Erinnert Euch! Es war damals, nach dem Hochzeitsfest, als wir wie heute hier versammelt waren. Die Vizegräfin Esclarmonde berichtete von ihren Plänen, den Montségur zu einer Festung auszubauen, und ...“
Simorre gab den Fehler zu. Man sei unter sich gewesen, sagte er, und arglos. Dass die Gegenseite, also Rom, nun von den „Geheimen Worten“ - dem Wissensgral und größten Schatz der Katharer - Kenntnis hatte, und der Montségur vor dem eigentlichen Ausbau nicht mehr sicher war, sei verhängnisvoll. „Alle kennen den Namen des untreuen Vogtes“, sagte er. „Ein anderer wird aus falscher Rücksichtnahme nicht genannt. Ich spreche ihn offen aus: Ich habe den Hofkaplan in Verdacht. Pater Hugo.“
„Nun ja, es muss kein ... Geistlicher gewesen sein“, entgegnete der Trencavel vorsichtig. „Dass Otho von Mirepoix Helfer hatte, steht jedoch außer Frage.“
Er erklärte Simorre und den Katharern, dass er den Befehl gegeben hätte, sowohl die Wachen im Kerkerturm, als auch die beiden Soldaten, die Othos Geschichte seinerzeit gedeckt hatten, zu inhaftieren. Dann jedoch begann er, sich nach den ominösen Kaufleuten aus Cahors zu erkundigen. „Vielleicht tragen sie die Schuld am Tode Othos! Weiß jemand von euch ´Guten Leuten` Näheres? Wo sind sie abgestiegen? Mit wem machen sie Geschäfte?“
Niemand hatte etwas über ihren Verbleib gehört.
48.
Der Sommer, heiß und staubig, ging ins Land, ohne dass Alix und Inés sich näher gekommen wären. Zwar fiel kein böses Wort zwischen ihnen, die Schwestern verbrachten sogar viel Zeit miteinander - doch irgendetwas war zerbrochen. Beide spürten das Trennende, doch keine hatte den Mut, es vor der anderen zu benennen.
Inés konnte nicht verstehen, weshalb sich Alix innerhalb eines Jahres so verwandelt hatte. Es war, als sei sie in Cahors in eine andere Haut geschlüpft. Am meisten beunruhigten sie aber Raymonds Blicke, mit denen er Alix
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