Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
wäre!
Wieder zerriss der Schmerz Alix`Leib. Wieder roch sie an den Kräutern, die, wenn auch nicht dem Leib, so doch der Seele Linderung verschafften. Oder handelte es sich bereits um den Brautstrauß des Todes, gefürchtet von allen Frauen im Wochenbett? Aber sie wollte nicht sterben!
„ Du bist gebenedeit unter den Weibern ... “ Obwohl sie sich angstvoll dagegen stemmte, glitt sie in die nächste Wehe, während Inés neben ihr unablässig Gebete murmelte.
Gebenedeit? Wie konnte man gesegnet sterben, ohne die Liebe geschmeckt zu haben? Was für ein Mensch ist der, der am Ende seines Lebens nichts von Liebe weiß? Raymond-Roger hatte sie ja nicht einmal geküsst!
Himmel! Alix richtete sich auf. Wie konnte sie in ihrer schier aussichtslosen Lage, in den raren Augenblicken, in denen der Schmerz nachließ, Sehnsucht haben? Sehnsucht nach ihm, nach seinen Händen, seinem Lachen, seinem schönen Mund? Einmal, als sie sich unten bei den Ställen trafen - er hatte ihr ein Pferd geschenkt und sich vorgebeugt, um über das schwarze Fell zu streicheln, da hatten seine Lippen wie zufällig ihre Wange gestreift ...
„ … und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus .“
Vielleicht küsste er ihr bald die tote Stirn? Alix bäumte sich auf, schrie ...
In höchster Angst entriss ihr Inés den Kräuterstrauß, ersetzte ihn durch den Rosenkranz. Sie schluchzte. „Du musst zur Schwarzen Madonna beten, Alix! Los, bete, wie du es früher getan hast, zuhause, in Montpellier!“
Doch Alix, gerade von einem wahren Schauer aus Schmerz geschüttelt, stammelte nur etwas von einem „vergeudeten Leben“.
Endlich Erleichterung. Leise Musik drang herauf. Unten feierten sie noch immer. Ein Liebeslied, für alle Wohlerzogenen annehmbar ...
„Villaine“, kam es Alix über die Lippen, während ihr der Rosenkranz wieder entglitt. Wie pflegte er zu sagen? „Besser ein Flick als ein Loch! Besser ein ...“ Alix schrie.
Die Abstände der Wehen wurden kürzer. In immer neuen Anläufen rollten immer mächtigere Wellen heran, ans Ufer brechend, nichts als scharfe Glassplitter mit sich führend, die sich in ihren Leib bohrten, ihn zerschnitten. Zog sich das Meer zurück, dann nur, um Kraft zu sammeln für einen neuen Anlauf.
Alix schloss die Augen. Sie fröstelte. Nein, auch der gute Villaine konnte ihr nicht helfen.
Das Meer kam wieder, die schmerzhafte Welle ... Per Dieu , kaum blieb Zeit, ein Wort zu denken, geschweige denn zu beten, wie Inés sie ständig drängte: „ Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade ...“
„Lavendel, Minze“, stieß Alix trotzig zwischen zwei kurzen Atemzügen hervor.
Esther verstand. Sie reichte ihr den Kräuterstrauß, worauf Alix erneut die schweren Düfte in sich hineinsog. Die letzte Welle, dachte sie, als sie erschöpft für wenige Augenblicke ihren Kopf zurücklegte, die letzte Welle würde kommen, unweigerlich. Irgendwann. Hoffentlich bald. Und sie würde sie befreien, so oder so.
Ihre Schwester indes, gab nicht auf. Die Augen angstvoll aufgerissen, legte sie Alix das goldene Kruzifix auf die Brust, das sie für gewöhnlich um den Hals trug und wie ihren größten Schatz hütete. „Bete, Schwester, bete, ich flehe dich an! ... Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir ...“
Doch Alix schleuderte das Kreuz mit einer heftigen Bewegung zu Boden.
Entsetzt stöhnte Inés auf. „Holt Pater Hugo! Sofort!“, schrie sie Fabrisse und Gaya an, die zitternd am Fußende des Bettes standen.
Als Fabrisse die Tür aufriss, um den Hofkaplan zu verständigen, standen Na Loba und Brunissende vor ihr. Bis in ihre Gemächer waren die Schreie der Gebärenden gedrungen.
„Gibt es Schwierigkeiten?“ Ohne Aufforderung trat Na Loba ein, sah sich um. Das Festgewand lag zerknüllt am Boden, daneben das Schapel, der Schleier.
Ihr Blick fiel auf die Jüdin. „Lauft Fabrisse nach“, rief sie, „wir brauchen keinen Priester!“
Dann schickte sie die Ammen los, einen Gebärstuhl zu besorgen. „So seht mich nicht an wie dumme Schafe“, zischte sie. „Los, los, irgendwo wird einer aufzutreiben sein, sputet euch! Und keinen Priester, habt ihr gehört!“
„Wie könnt Ihr es wagen, meiner Schwester die letzten Sakramente zu verweigern!“, fuhr Inés die Wölfin an. Kreidebleich, das Haar wie feurige Funken vom Kopf abstehend, stand sie da – noch immer in ihrem Festgewand. Ihre Hände flogen.
Doch Na Loba beachtete sie nicht. Sie beugte sich bereits über die Schwangere,
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