Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
dem Arm. Versprochen?“
Inés nickte.
Esclarmonde zog die Kapuze über den Kopf und verließ das Gemach. Sie war müde. Ihre Beine waren geschwollen und schwer wie Blei. Zuviel war in den letzten Monaten auf sie eingestürmt. Wäre da nicht die Sache mit der Ermordung des päpstlichen Legaten gewesen, hätte sie Carcassonne nicht schon wieder einen Besuch abgestattet. Doch sie musste dringend mit dem Trencavel reden. Welch ein Glück, dass er schon übermorgen hier eintraf.
Und wenn sie an Inés dachte, war sie wohl gerade zur rechten Zeit gekommen. Die Vizegräfin war ein zu leichtes Opfer für die Pfaffen, dachte sie ärgerlich, als sie nach unten lief, um Bertrand von Saïssac zu suchen. Inés war jung und unerfahren. Aber sie selbst hatte gut reden, wo sie längst frei von familiären Zwängen lebte. Gemeinsam mit ihren Gefährtinnen hatte Esclarmonde Schulen für Mädchen gegründet und Krankenhäuser für die Armen. Doch bei allem Einsatz und ihrem fortgeschrittenen Alter war auch sie nicht ohne Eitelkeit: Noch immer war sie stolz darauf, eine der Initiatorinnen der „Konferenz von Montreal“ gewesen zu sein - einem weiteren großen Glaubensdisput Katharer versus Katholiken, der vor Jahresfrist dort stattgefunden hatte. Alle wichtigen Leute aus beiden Lagern waren gekommen. Nun wollte sie - nein, sie musste - dem Trencavel eine sonderbare Begebenheit erzählen, die sich auf jener Konferenz zugetragen hatte.
Fünfei fiedelte und Villaine, im blauen Wams, saß auf dem Brunnenrand und sang:
„Verlasst Euch drauf! Ich markte nicht.
Nehmt, was Euch in die Augen sticht;
Chordamen, Ritter, Edelfraun,
Schnapphähne, Mönche, schwarz und braun,
Barone, Bauern, nasse Knaben,
Was Ihr begehrt, Ihr sollt es haben …“
Alix stand in ihrem dünnen Unterkleid am Fenster und beobachtete die beiden. Sie genoss den frischen Windhauch, der ihre von der nächtlichen Liebe erhitzten Wangen kühlte.
Als der Spielmann sie entdeckte, verbeugte er sich. Sie grüßte freundlich und trat zugleich ein Stück zurück. Seltsamer Mann, dachte sie. Schon damals, hinter der schrecklichen Herberge des Rattenfängers, hatten Villaines Augen sie beunruhigt. „Mit Euch würde ich ans Ende der Welt ziehen“, hatte er mit sanftem Spott gesagt. Sie hatte seine Worte für Minne gehalten.
Doch gestern - wiederum an einem Gewässer - hatte er nach ihrer Hand gefasst. Wenn auch nur kurz, war ihr ein leichter Schauer über den Rücken gelaufen. Weshalb hatte sie sich in seiner Nähe nicht besser in der Gewalt?
Raymond-Roger war aufgewacht. Sie drehte sich zu ihm um, lächelte und trat neben ihn. „Du bist ein schöner Mann!“, sagte sie zärtlich.
Sofort setzte er sich auf, strich sich eitel die Haare zurück. „ Verlasst Euch drauf! Ich markte nicht …“, ahmte er den Spielmann nach. „Neues Lied? Nun, Villaine ist auch kein hässlicher Kerl. Fleißig obendrein, kein Müßiggänger. Er gibt acht auf sein Lehen, sorgt für die Bauern, und vernachlässigt dennoch nicht seine Kunst.“
Alix nickte. „Ja, und er hat eine warme Stimme“, sagte sie ein wenig unsicher, weil sie nicht wusste, worauf Raymond hinaus wollte. „Obendrein ist er einfühlsam, hilfsbereit und voll sprühender Ideen. Vielleicht bringt er es fertig, Damian zu …“
„Nein, Alix“, unterbrach sie der Trencavel. „Ich habe es dir bereits heute Nacht erklärt. Nicht er wird dafür sorgen, dass du deinen Sohn wiederbekommst, sondern ich. In Cahors kennt man die Gesichter meiner Spielleute. Es ist zu gefährlich. Oder willst du, dass sie wie Schalksnarren am Galgen hängen oder gehäutet wie der Jude Löw, von dem du mir erzählt hast?“
„Nein, natürlich nicht. Aber dann reite ich allein! Gib mir ein paar Männer mit, ich flehe dich an …“
„Hast du kein Vertrauen zu mir? Du bekommst deinen Sohn wieder, Alix“, sagte Raymond-Roger. Er setzt sich auf. „Ich verspreche es dir. Ich habe auch bereits einen Plan. Die einzigen Männer, die sich gefahrlos in Cahors bewegen können, sind vermutlich die Tempelritter. Diese stehen in meiner Schuld. Sobald wir in Carcassonne sind, ersuche ich um ein Gespräch mit dem dortigen Komtur. Doch du, Alix, du musst Geduld haben! Möglicherweise dauert es lange, bis wir ein Lebenszeichen von dem Jungen erhalten. Selbst der Großmeister der Tempelritter könnte nicht einfach bei Bartomeu von Cahors anklopfen und ihn fragen, wo er seinen Sohn versteckt hält. Das verstehst du doch, oder?“
„Sprich nicht mit
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