Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
bestand.
„Eine Nachricht, meine Liebe“, rief er schon von weitem. Er atmete laut und wedelte mit einer Pergamentrolle. Dann senkte er seine Stimme zum Geflüster. „Ein fremder Reiter hat sie an der Porte Narbonnaise abgegeben. Der Brief ist an Eure Schwester gerichtet …“
„Gebt ihn mir, Sénher, ich werde ihn öffnen.“
Saïssac zögerte, aber nur für einen Augenblick. Er selbst wollte wissen, was darin stand. „Hier, lest“, sagte Inés sichtlich verstört, nachdem sie das Band gelöst und die mageren Zeilen überflogen hatte. „Ich weiß nicht, was davon zu halten ist.“
DAMIAN VON CAHORS ist in Sicherheit.
Es geht ihm gut, sorgt Euch nicht.
Pater Hugo.
Der Alte begann zu wettern. „So stehlen die Priester heute schon Knaben!“ Ohne um Erlaubnis zu bitten, folgte er Inés in das Gemach, schloss hinter sich die Tür.
„´Damian von Cahors ` schreibt er!“, sagte er ungehalten, ganz rot im Gesicht. „Der Junge heißt jedoch Damian von Rocaberti. Woher weiß Pater Hugo, wer der Vater des Knaben ist? Haben wir nicht seinerzeit Stillschweigen darüber vereinbart?“
Inés errötete, und bekam den Schluckauf. „Sie wird es ihm … gebeichtet haben.“
„Niemals“, entgegnete Saïssac leise. „Niemals. Gut, mag sein, dass es jemand gebeichtet hat, nicht aber die Vizegräfin von Rocaberti. Ich möchte wissen, wer sich nicht daran gehalten hat. Wehe, wenn ...“
„Sei es“, unterbrach sie ihn hicksend, „sei es, wie es will, Hauptsache, Damian ist nichts zugestoßen. Mein Gemahl wird sich um alles kümmern, wenn er zurück ist.“
Sie wandte sich um. Der Alte sollte nicht sehen, wie schlecht es ihr ging.
Da fasste er nach ihrem Arm, um sie zurückzuhalten.
„Meine liebe Inés“, sagte er, jetzt in versöhnlicherem Ton, denn sie tat ihm schon wieder leid. „Grämt Euch nicht, es wird alles gut ausgehen.“
„Pater Hugo!“, platzte es da aus der Vizegräfin heraus, und sie warf Saïssac einen derart vorwurfsvollen Blick zu, als sei er an allem Unglück auf dieser Welt schuld. „Stiehlt meiner Schwester Kind! Bei der Heiligen Jungfrau von den Tischen, in Eurer Stadt ist man ja nicht mehr sicher, Sénher!“
„Sie ist auch die Eure, Vizegräfin, vergesst das nicht!“
Mit diesen Worten drehte sich Saïssac verärgert auf dem Absatz um und humpelte hinaus.
6.
Der Trencavel gähnte, schnappte sich die Öllampe und machte sich auf den Weg über den langen Flur bis zur Kammer, die auf Dérouca für ihn bereitstand. Plötzlich stutzte er.
Was hatte der Haufen vor seiner Tür zu suchen? Beim Näherkommen entdeckte er, dass obenauf bäuchlings der Bucklige lag und tief und fest schlief. Neben der Tür eine Lanze.
Der Vizegraf schüttelte den Kopf. Sein leeres Stroh hätte der Kerl auch woanders dreschen können, dachte er bei sich, und schlug ihm entschlossen aufs Hinterteil.
„He, wach auf, Kleiner!“
Der Bossu gab einen erschreckten Schnarcher von sich, tastete mit der Rechten nach der Lanze, die ihm jedoch sofort aus der Hand gerissen wurde.
„Bist du vielleicht närrisch geworden!“, herrschte ihn der Vizegraf an.
Der Bossu erstarrte, als er die Stimme erkannte. Beim Versuch aufzustehen, zappelte er eine Weile auf allen Vieren herum, bis das Stroh auseinanderfiel und seine Beine Halt fanden.
Der Trencavel konnte nicht anders, als über ihn lachen. „Du bist noch derselbe Tölpel wie früher“, sagte er, „so räum` das Zeug weg; ich will in mein Bett!“
Mit offenem Mund starrte ihn der Bucklige an, die Verbeugung und der Handkuss waren vergessen. Für einen Moment kratzte er sich wie unschlüssig am Kopf. Dann nahm er die Beine in die Hand, um den Meister Spielmann zu holen.
Kopfschüttelnd schob der Trencavel nun selbst mit seinen Füßen das Stroh beiseite. Plötzlich hörte er ein Geräusch, das direkt aus seiner Kammer zu kommen schien. Ein Fiepen und Kratzen? Klang das nach einem ...
„Ich lasse Villaine so kahlscheren wie den Apostel Paulus“, brummte der Vizegraf unwillig „wenn er irgendeinen Köter in mein Gemach gesperrt hat!“
Da schob sich die Tür auf, nicht weit, nur einen winzigen Spalt. Das Fiepen und Kratzen wurde lauter, höher, drängender. Mit dem Öllicht leuchtete der Trencavel in den Raum hinein.
„Was zum Teufel …“, stieß er hervor und dann ungläubig „Alix?“
„Hach“, drang es mit entsetzter heller Stimme zu ihm heraus. „Ihr, hier? Du …?“
Nun rissen sich die Hunde, die Alix am Halsband hielt, los. Die Tür
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