Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
mir wie zu einem kleinen Kind. Ich bin nicht Inés!“, entgegnete ihm Alix ungehalten, doch sie bedauerte ihren bitteren Tonfall sofort. Sie war ungerecht. „Es tut nur so weh, mich auf eine … eine lange Trennung von Damian vorzubereiten.“
Ein Windstoß schlug hinter ihr den Laden zu. Alix erschrak.
„Komm noch einmal zu mir ins Bett.“
Bereits in der Nacht, nachdem Alix ihm alles erzählt und er ihr jede nur mögliche Hilfe zugesichert hatte, war die Leidenschaft über die beiden hereingebrochen. Schmerzhaft wilde Küsse und wahre Schauer der Lust waren ihrer Vereinigung vorausgegangen. Sie war für ihn die geheimnisvolle Rose, die Königin unter den Königinnen, eine Zierde für die ganze Welt, wie er ihr ins Ohr flüsterte. Wieder und wieder hatten sie die Liebe ausgekostet und waren ihrer nicht überdrüssig geworden. Die fast kindliche Freude jedoch, die sie hatten, als sie sich später eng aneinander schmiegten und neue Liebesworte zuflüsterten, war ihnen noch köstlicher vorgekommen als das, was sie in ihrer Erregung getan hatten.
Villaine hatte einige hässliche Stunden hinter sich, als die beiden Liebenden endlich den inzwischen schattigen Hof betraten, wo die alte Gesine und die Knechte eine lange Tafel aufgebaut hatten. Es fiel ihm schwer, „ ma Dame “ in die Augen zu sehen oder „mein guter Freund“ zu seinem Herrn zu sagen, wie noch in der Nacht, denn er hatte sich den ganzen Vormittag über schmerzlich vorgestellt, wie sich die beiden in den Federn vergnügten. Sie hatten offensichtlich ihr Paradies auf Dérouca gefunden. Die Liebe war ein Mysterium, dachte er bei sich, sie vermochte viel, seiltanzen konnte sie nicht.
Der Spielmann senkte den Kopf und stimmte gründlich sein neues Rebec, um nicht aufsehen zu müssen.
„Hör mir gut zu, mein Lieber“, sagte der Trencavel zu ihm und zog ihn ein Stück beiseite, während die Magd die gebratenen Enten und das Brot auftrug. „Nach dem Mord an dem Legaten kann ich es nicht wagen, den toten Pater nach Carcassonne zu schaffen. Es würde sofort Ärger geben. Sieh zu, dass du ihn morgen, nach unserer Abreise, irgendwo bestattest. Ohne großes Aufsehen, hörst du! Kein Priester! Und zu niemandem ein Wort darüber, schärf das auch deinen Leuten ein. Ich verlasse mich auf dich!“
Villaine nickte. Er hatte sich schon so etwas gedacht. „Ohne großes Aufsehen“ bedeutete, er selbst sollte das tote Pfäfflein verscharren. Heimlich. Hinter dem Holunderbusch vielleicht, damit Hugo es recht schön schattig hatte? Himmel, er konnte von Glück reden, wenn der Kerl morgen nicht bereits stank wie fauler Fisch.
Nun, der Trencavel war sein Herr! Und ohne ihm über die Maßen schmeicheln zu wollen - etwas, das Villaine verabscheute - durfte man sagen, dass er ein Ritter hoch an Mut und Güte war, der ihm nicht nur dieses herrliche Gut übertragen hatte, sondern auch für die Feste sorgte, auf denen sie sich darstellen konnten. Er kam für alles auf, selbst für Tinte und Pergament, um die Kanzonen und Sirventes niederzuschreiben. Villaine mochte Raymond-Roger aber auch als Freund - gänzlich ungeachtet dessen, dass er seit heute Nacht sein heimlicher Rivale war.
Er grinste schief. Sonderbar fand er es nur, dass plötzlich keiner mehr vom verschwundenen Knaben sprach, weswegen die ... „Stoppelhaarige“ doch hierher geritten war. Offenbar hatten sie in der Nacht einen heimlichen Plan ausgeheckt, der dem Spielmann von Carcassonne keine Rolle zudachte. Nun, wenn sich Alix von Rocaberti einbildete, dass sie besser beim Wirt als beim Wirtlein aufgehoben war, ihm sollte es recht sein.
Der Nachmittag verging mit allerlei Belustigungen, denn es war bekannt, dass der Trencavel eine fast kindliche Freude an Vergnügungen dieser Art hatte. Zum Schluss ging die Laute von Hand zu Hand, jeder stimmte ein Liedchen an. Als Alix an der Reihe war, zerriss nach der ersten Strophe eine Saite. Alle bedauerten ihr Missgeschick, doch Villaine war erleichtert, hatte er doch insgeheim schon den Plan gefasst, sich - wie Odysseus - von seinen Freunden an den Fahnenmast binden zu lassen, um der verlockenden Stimme Widerstand zu leisten.
Das schwermütige Se Canta , das er zum Abschluss vortrug - das Psalter auf dem Schoß - trieb den meisten die Tränen in die Augen. Einzig „ ma Dame “, für die er sich gestern am See bereits tiefe Poesie überlegt hatte, obwohl ihm für gewöhnlich die leichten und bissigen Töne besser lagen, hielt den Kopf schräg und sah mit
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