Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Schreibstube gebeten, wo er sie anflehte, ihn in seinem jetzigen Zustand und der schwierigen Lage im Land nicht im Stich zu lassen. „Als sich unsere Augen zum ersten Mal trafen“, sagte er, „da war es um mich geschehen. Fünf lange Jahre habe ich meine Leidenschaft und meine Gefühle für dich im Zaum gehalten, Carcassonnes und Inés` wegen. Was du nicht weißt, ist, dass ich jedes Mal, wenn dich Jordan in deinen Gemächern besuchte, stundenlang im Dunkeln wie ein waidwundes Tier durch mein Schloss lief. Ich hätte die Macht gehabt, den Mann aus der Stadt zu verbannen, der dich nackt in seinen Armen hielt, aber ich habe es nicht getan, weil ich dich liebte.“
Plötzlich zog er aus der Tasche seines Wamses einen zierlichen Ring aus Gold. Er hatte die Form einer Schlange, die sich in den Schwanz biss. Auf dem Kopf trug das Tier ein Krönchen aus Rubin und seine Augen bestanden aus zwei kleinen Saphiren. Raymond streifte ihr den Ring über den rechten Zeigefinger und küsste sie sanft auf die Stirn. „Du bist mein“, sagte er leise. „Bleib bei mir! Bitte!“
Stumm waren sie sich eine Weile in den Armen gelegen, dann hatte seine Lust die ihre entflammt. Dabei war das warme Rot ihrer tiefen, zärtlichen Zuneigung von einem Augenblick auf den anderen in ein Flammenmeer aus Purpur umgeschlagen, das sich zu einem drängenden Violett entfaltete, zu einem gierigen Gleißen ...
Als es geschah, wusste Alix endgültig, dass sie fort musste. Zwar schreckte es sie nicht länger, dass sie Raymond-Roger unendlich liebte, aber sie konnten sich in Carcassonne nicht mehr aus dem Weg gehen, niemals mehr. Und bliebe sie hier, brächten sie mit ihrem Verhalten Inés an den Rand des Wahnsinns. „Lass mich ziehen, Liebster“, flehte sie. „Nur für eine Weile. Bis Damian wieder bei mir ist. Irgendwann komme ich zurück, irgendwann ...“
„Dann werde ich dich in der Fremde besuchen, bald …“, flüsterte er, als sie sich hastig wieder anzogen. Doch Alix hatte sich bereits vorgenommen, ihn nirgends heimlich zu empfangen. Sie streifte verstohlen den Ring wieder ab und ließ ihn in der Schreibstube zurück. Und obwohl sie die Aussicht auf ein Leben ohne seine Liebe bekümmerte, und sie ihren Verzicht als eine zutiefst ungerechte Strafe empfand, verabschiedete sie sich kurz darauf unter Tränen von ihrer Schwester und verließ Carcassonne mit stolz erhobenem Kopf ...
Alix von Rocaberti gab ihrem Pferd die Sporen und ritt ein Stück im schnellen Galopp. Dann drehte sie sich noch einmal um. Als sie Carcassonnes Türme und Mauern im vollen Licht der Sonne liegen sah, beschloss sie tapfer, das Opfer, das sie brachte, der Stadt zum Geschenk zu machen: Carcassonne brauchte gerade jetzt einen Herrscher, dessen Herz frei war.
Dass es besonders die Frauen von Adel waren, die es zu den Katharern zog, wusste Alix längst. Daher fragte sie sich bald, ob Esclarmonde sie nicht auch deshalb eingeladen hatte, weil sie in ihr eine zukünftige Perfekte sah. Denn so wie weiches Wasser mit der Zeit auch das härteste Gestein auswusch, hatte Esclarmonde auf dem Ritt durch das stille Aude-Tal ständig von ihrem Haus in Pamiers geschwärmt und davon gesprochen, wie gut es für jede Frau sei, zur Ruhe zu kommen und dennoch eine Aufgabe zu haben. Auch hatte sie Alix warm ans Herz gelegt, schriftlich festzuhalten, was ihr seinerzeit in Cahors widerfahren war.
„Seid stark, Alix“, rief sie ihr nun erneut über die Schulter zu, während sie auf ihrem graugefleckten Pferd auf schmalen Pfaden vor ihr her ritt. „Seid stark und fürchtet Euch nicht. Das Aufschreiben Eures Schicksals wird Euch helfen zu verstehen und zu verzeihen!“
Alix blieb stumm. Esclarmonde irrte sich, wenn sie meinte, es gäbe für sie einen Weg, Bartomeu von Cahors zu verzeihen. Niemals!
Als sie am zweiten Tag ihrer Reise aus dem dunklen Wald von Serralongue herauskamen, tauchte er plötzlich vor ihnen auf, der „Sichere Berg“.
Bischof Simorre, der sie ebenfalls begleitete, entdeckte ihn zuerst. „Seht nur, da vorne! Das ist er! Ein Wunder! Überirdisch! Dass ich das erleben darf!“
Alix zügelte ihren Rappen und reckte neugierig den Hals. Auf ihrem Weg hierher waren sie an etlichen Burgen vorbeigeritten, die sich hoch oben an den Fels geklammert hatten, doch das Schauspiel, das jetzt vor ihnen lag, konnte mit nichts verglichen werden. Der Berg selbst war eigenartig: grandios und wild, Schutz versprechend und kühn. Die neue Burg jedoch, errichtet von Menschen, die
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