Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
zurückzuziehen. Sie war eine gebrochene Frau. Es frommte ihr nichts mehr und es gefiel ihr nichts.
Wie Eudoxia, Wilhelms erste Gemahlin, lebte sie nun im Kloster, täglich auf jemanden hoffend, der ihr und ihren Kindern zur Gerechtigkeit verhalf.
„Ich habe diese Nacht recht gut geschlafen. Und Ihr?“ Honoria, die sich fast zu Tode langweilte, weil sie kaum etwas zu tun hatte, ließ nichts unversucht, der Mensch zu sein, den ihre Herrin brauchte, wenngleich sie ihr nicht wirklich helfen konnte. „Lasst uns doch zwanzig Schritte tun, bis hin zum Pfirsichbaum, und dabei ein wenig von den alten Zeiten plaudern, bevor die Pilgerschar eintrifft.“
Aus dem weit geöffneten Kapellenfenster drang das Latein der Mönche.
Agnès bekreuzigte sich. „Nein, ich will nicht laufen und ich will auch niemanden sehen“, sagte sie mit Leidensmiene. „Alle Glieder schmerzen mich. Die blauen Flecken an den Beinen werden immer größer. Es ist, als drücke mich die Last meines Lebens zu Boden. Die Last und die Schmach. “
Honoria nickte wissend und streichelte die Wange der gealterten Frau.
Noch immer konnte es Agnès nicht verwinden, dass Bartomeu von Cahors sie hintergangen hatte. Montpellier gehörte jetzt zum Königreich Aragón. Marie war gekommen und hatte sich ihr Erbe geholt, worauf man sie - die Herrin samt Sohn Wilhelm aus der Stadt gejagt hatte. Auch ihre anderen Söhne lebten nun in Klöstern. Welch eine Hinterhältigkeit, welch grausamer Schicksalsschlag, dachte Agnès verbittert.
War das der Dank für Wilhelms Treue zu Rom, dass sich selbst der päpstliche Legat, Peter von Castelnau, auf die Seite Pedros und Maries gestellt hatte und nicht auf ihre? Nun, die gerechte Strafe hatte ihn ereilt. Castelnau war tot. Ihr hinterhältiger Schwiegersohn Pedro hatte sich gar dem Papst zu Füßen geworfen, nur um ihr einen Strick zu drehen! Mit glänzendem Gefolge war er nach Rom gesegelt, um zum Ausgleich für den Lehnseid die königlichen Insignien zu erhalten. Mit einem Ring aus ungesäuertem Brot hatte ihn der Papst gekrönt. Agnès wünschte Pedro täglich, er möge vom Pferd fallen und sich dabei den Hals brechen. Marie war gestraft genug an seinem sündhaften Hof, dem Hofe eines Hurenbocks und Verschwenders! Sofort nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter waren die beiden in Streit geraten. Pedro hatte wohl wieder ein neues „Pferdchen im Stall“, wie Bartomeu einmal gemeint hatte. Beim seligen Isidor von Sevilla, dachte Agnès, ihre Alix hätte sich das von Pedro nicht bieten lassen. Sie hätte aufgeräumt in Zaragoza! Alix war und blieb die klügste unter all ihren Kindern. Sie hätte Königin werden müssen, sie! Stattdessen ... Abgeschwatzt, ja, mitten aus dem Herz gerissen hatte Bartomeu sie ihr, ohne alle Scham - wie die wertvolle graue Perle!
Beim Gedanken an Bartomeu von Cahors, der hinter allem Unglück steckte, das Montpellier und ihre Familie getroffen hatte, atmete Agnès schneller und schneller, so dass ihre Dame sie fürsorglich beim Arm fasste und „Psst, psst!“ sagte.
Honoria kannte die Anzeichen längst: Immer, wenn die Herrin den Atem so wütend durch die Nase stieß und zugleich ihre schmalen Lippen fest aufeinander presste, tat sie das aus Angst, dass sie irgendwann „darüber“ reden würde. Wieder und wieder schien sie die alten Sünden durchleben zu müssen, doch niemand durfte ihr Geheimnis kennen, obwohl schon damals halb Montpellier gewusst hatte, dass der Bischof von Cahors Agnès bestieg.
„So kommt mit mir in die Zelle zurück, Doña Agnès“, drängte Honoria, um sie abzulenken, „ich will Euch die Beine mit Wermut einreiben.“
Der Bruder Infirmarius, der der Krankenstube vorstand, hatte ihr den Rat gegeben, Artemisia Absinthium mit Essig zu zerreiben und die blavores damit zu behandeln.
Ächzend stand Doña Agnès auf. „Gut, aber dann ruft mir gleich den Schreiber. Ich will Jofre von Rocaberti noch einmal mit deutlichen Worten auffordern, Alix auch vor dem HERRN als seine Frau anzuerkennen und nicht nur auf dem Pergament! Es ist an der Zeit, dass alles in Ordnung kommt. Ich verstehe nicht, weshalb er mir nie geantwortet hat. Was ist das bloß für eine Unhöflichkeit der Herrin von Montpellier gegenüber!“
Honoria erschrak. Es würde das fünfte Bittgesuch an den Vizegrafen von Rocaberti sein, das Doña Agnès auf den Weg brachte, und das sie, auf Anweisung von Alix, wieder vernichtete, bevor es in die Hände eines Boten geriet. Beim Seligen Isidor von Sevilla,
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