Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
seit Jahren zwischen den beiden christlichen Kirchen vermittelte, war am Hof der duldsamen Trencavels nie gezwungen worden, sich auf eine Seite zu schlagen. Nun bat er um die Erlaubnis, zu sprechen.
„Mir kam zu Ohren, dass sich Papst Innozenz zwei Feuer warm halten möchte. Das eine heißt Kreuzzug, das andere Diego von Azevedo …“
„Sprecht Ihr von diesem spanischen Zisterziensermönch, der beseelt sein soll und mit seinen Leuten barfuß und arm wie die Apostel durchs Land zieht?“ An Simorres steil nach oben gezogenen Brauen konnte man deutlich die Anspannung sehen, unter der er stand.
Der Hofmeister nickte und meinte ein wenig belustigt: „Passt nur auf, Bischof Simorre, Diego wird mit euch ´Guten Leuten` bald in den Wettbewerb treten. Rom trachtet danach, seine Kirche mit neuer Glaubwürdigkeit und heiterer Gelassenheit auszustatten!“
Einige Perfekten schmunzelten, andere murrten.
„Der Mund dieses Diego ist der Schlund der Hölle!“, stieß ein düsterer Geselle hervor, und die jüngere der beiden Frauen meinte gar halblaut, sie hätte gehört, Diegos Subprior, Dominikus von Guzmán, sei noch viel infamer. Er würde persönlich das Tor zum Hades bewachen.
Verärgert drehte sich Simorre nach den vorlauten Perfekten um. „Schweigt! Mir kam anderes zu Ohren“, hielt er ihnen entgegen, „nämlich, dass Diego und Dominikus christlicher sein sollen, als es Jesus jemals war, was jedoch abzuwarten gilt“ - und zum Vizegrafen gewandt: „Gleich wie es sich verhält, Sénher: Das Volk wird jede List durchschauen, denn es ist nicht dumm. Es weiß, der gute Baum trägt gute Früchte, der schlechte Baum trägt schlechte. Die wahre Kirche Gottes hat ihre Lehre seit der Zeit der Apostel bis zum heutigen Tag bewahrt, sie ist von Perfekt zu Perfekt bis auf uns gekommen, und das wird erst enden, wenn die letzte Seele heimgefunden hat. Das allein muss den Menschen erzählt werden, wieder und wieder, damit sie den Weg ins Licht finden.“
Bertrand von Saïssac wiegte bedenklich den Kopf. „Mein guter Simorre, Ihr habt wohl recht, das Volk ist nicht dumm. Es heißt aber auch nicht umsonst: Kein Mann ohne Wolfszahn, kein Ross ohne Tücke, kein Weib …“, er warf einen erschrockenen Blick auf die beiden Perfektas, räusperte sich dann kurz und fuhr leiser fort: „kein Weib ohne Teufel. Will sagen, Innozenz könnte auch versuchen, uns zu täuschen oder abzulenken. Er droht mit einem Kreuzzug. Doch statt Soldaten schickt er uns den frommen Barfüßer Diego und seine Mönche ins Land.“
„Diego soll uns in falscher Sicherheit wiegen, während Innozenz sich heimlich rüstet?“
Saïssac nickte.
Am Ende des langen Disputes, der sich daraufhin entspann, versprach der Trencavel den Katharern, sie zu den im Februar stattfindenden Beratungen mit dem König von Aragón hinzuzuziehen.
14.
„Dem Narren hört man lieber zu als dem Prediger“, hatte der Cahors am Vorabend von Epiphanias augenzwinkernd zu Alix gesagt und ihr befohlen, beim „Fest der Verrückten“ mitzuwirken. Am nächsten Tag brachte ihr Rashid ein einfaches blaues Gewand ins Magdalenenzimmer und geleitete sie kurze Zeit später auf den Hof, wo ein Esel für sie bereit stand.
Es war ein milder Wintertag. Die Sonne wärmte, doch sie brannte nicht. Im Hof herrschte wie immer hektisches Treiben. Mit einer Seilwinde und viel Geschrei wurden Fässer in den Turm gehievt. Dunkle Gestalten - Sicards Mönche - eilten zur Klosterkapelle, um sich für den Umzug zu rüsten und die geweihten Geräte zu holen. Die Tür stand weit offen, Psalmengesang drang heraus: „Gott, gib dein Gericht dem Könige und deine Gerechtigkeit des Königs Sohne, dass er dein Volk bringe zur Gerechtigkeit und deine Elenden rette ...“
Seine Bischöflichen Gnaden saß, Pelz gewandet, bereits auf dem Pferd. Als er Alix` sah, rief er ihr zu: „Sitz auf, folge mir und zeige Würde. Dieser Weg geschieht zum Gedächtnis an die Flucht der Gottesmutter nach Ägypten.“
Alix sorgte sich seit zwei Tagen beträchtlich um Estrella, weil sich zu deren bösem Husten noch Fieber gesellt hatte. Aber sie wollte das gute Einvernehmen mit dem Cahors nicht wieder aufs Spiel setzen, denn er hatte sogar zugestimmt, dass ihre Dame zu ihr in den sechsten Stock zog. Nur wenn der Erzbischof ihr vertraute, war an Flucht zu denken.
Kurz bevor sie losritten, drückte ihr Rashid einen schreienden Säugling in die Arme.
Im ersten Augenblick dachte Alix an den Sohn des verstorbenen Mädchens, dann
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