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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Alix dachte insgeheim, es sei einfach klug - noch immer störrisch zeigte, versuchten zwei neu hinzugerufene Mönche, es mit Rüben bis vor den Altar zu locken, wobei das Kirchenvolk sang:

    He, Herr Esel, los gesungen,
    macht kein mürrisch` Maul!

    Doch der Aze, wie ihn die Leute riefen, verschmähte die Rüben.
    Fast so laut wie das arme Tier, plärrte aber inzwischen das Kind. Es zerrte an Alix` Haaren und krallte ihr mit seinen Händchen mehr als einmal schmerzhaft ins Gesicht.
    Alix vermutete, dass es krank war, denn es hatte Schatten unter den Augen; bereits unterwegs war ihm dünner gelber Kot aus den Windeln gesickert. Jetzt lief die Bescherung über Alix` Gewand auf die goldbestickte Decke des Esels und auf sein Fell. Den Aze kümmerte das wenig. Er widerstand auch tapfer dem Heu, das man ihm unter die Nase hielt, und je mehr das Volk ihn mit „Ia, Ia“ anfeuerte, desto unleidlicher wurde er.
    Insgeheim dachte Alix bei sich, dass sein Widerstand sie nicht zu bekümmern brauchte, und sie wollte schon Rashid bitten, sie endlich absitzen zu lassen, als mit dem Burschen, der sich Bartomeus Mitra aufgesetzt und seine Brokatgewänder übergezogen hatte, die wie die Federn eines Pfaus hinter ihm herschleiften, ein gutes Dutzend ungestümer Burschen herauskam, um den Esel mit aller Gewalt in die Kathedrale zu zerren, wo er sich endlich laut furzend in sein Schicksal fügte.
    Alix hatte kaum Zeit, sich zu schämen, dass Bartomeu sie derart zur Schau stellte und demütigte - die Menschen deuteten mit dem Finger auf sie und ihr kotverschmiertes Gewand und lachten hämisch -, denn der Säugling bekam plötzlich Krämpfe und krümmte sich vor Schmerzen. Verzweifelt versuchte sie die Umstehenden auf das kranke Kind aufmerksam zu machen. Selbst der Maure, im goldgelben, gut geschnittenem Seidenumhang und gleichfarbigem Turban, ein riesiges Schwert am breiten Gürtel, stellte sich ihr gegenüber taub und blind. Da wusste Alix, dass mit seiner Hilfe niemals zu rechnen war. Er war der Diener des Sidis, selbst wenn dieser sich vor allen Leuten zum Esel machte.
    Der bleiche Sicard trat aus dem Dunkel einer Seitenkapelle zum Hauptaltar hin.
    Unmaskiert kam ihr der Bischof wie ein Fremdkörper vor in diesem Schiff voller Narren. Ja, selbst die Novizen, die ihm assistierten und dabei lange rote Nasen trugen, schienen seinetwegen auch noch rote Ohren zu bekommen. Des ungeachtet pries Bartomeus` Stellvertreter die Macht des Esels, dem die Kirche das Gold des geheimnisvollen Landes Saba verdankte, wie er verkündete. Bei der Geschichte, in der die Königin von Saba einst dem König Salomon eine große graue Perle schickte, die jener einfädeln sollte, bekam Alix Heimweh. Vater hatte eine ähnliche Perle von einer seiner Reisen mit nach Montpellier gebracht und der Mutter geschenkt.
    „Der kluge Salomon“, hatte er schmunzelnd gesagt, „der Macht über die Geschöpfe Gottes hatte, bat einen Holzwurm, den Faden durch das Loch zu tragen.“ Was hatten sie alle gelacht, als Vater in gespielter Verzweiflung die alte Truhe im Saal nach einem solchen Wurm absuchte und keinen fand. Ach, wie sehr sehnte sie sich nach Hause zurück!
    Alix streichelte das Kind, das schnell atmete. Zu schnell. Beängstigend schnell ...

    Mitten in Sicards Predigt kam erneut Unruhe auf, und zwar aus den hintersten Reihen.
    Eine dicke Frau mit bunter Narrengugel - die Leute riefen sie „Mère Folle“ - schlug sich gewaltsam eine Schneise durch den inzwischen völlig verstopften Gang und blies dabei den Gläubigen Asche ins Gesicht. Unter lautem Gejohle trieb sie ihren üblen Scherz so lange, bis sie auf Alix und den Esel stieß. Doch als die „Narrenmutter“ sich vor dem Grauen verbeugen wollte, rutschte sie in der Kotspur aus, die der Säugling dort hinterlassen hatte, und schlug der Länge nach hin. Alles Volk grölte und wollte sich gar nicht wieder beruhigen, als ein mickriges Männchen mit schwarzer Teufelsmaske aufsprang und der Alten den Hintern versohlte.
    Das wilde Geschehen schien den Erzbischof weitgehend unbeeindruckt zu lassen. Mit der Eselsmaske auf dem Kopf saß er, streng bewacht von Rashid, vor dem Altar und klimperte auf seiner Laute herum. Doch als erste stinkende Rauchschwaden verbrannten Leders, das als Ersatz für den obligatorischen Weihrauch diente, an ihm vorüberzogen, hustete er und machte Sicard ein unwilliges Zeichen.
    Rasch stülpte einer der Novizen den Deckel auf die Messingschale, und Sicard selbst begann mit den weiten

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