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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Bischof Bérenger von der „Wahnsinnspest“, die auch hier, in Carcassonne, noch immer anwachsen würde!? Mare de Deu! Der einzige Wahnsinnige in dieser Stadt war er selbst, das dachten viele.
    Und schon standen erboste Männer auf, um dem Prälaten mit den Fäusten zu drohen. „Ein Kreuzzug? Haben wir nicht schon genug Unheil von Rom erfahren, Bischof?“, schrie der Bäcker Gibel, den dicken, wulstigen Mund aufgerissen, „Euer Glaubenseifer in Ehren, aber was will der Heilige Vater eigentlich von uns? An unserem Geld hat sich die Kirche schon genug bedient. Geht es jetzt um unser Land? Um unsere Geschäfte? Die Bäckereien? Die Töpfereien? Die Wollscherer und Weber? Die Gerber und Färber? Den Tuchhandel? Was wollt Ihr denn noch von uns? Sollen wir heute, am Tag der Heiligen Melchior, Gaspar und Balthazar, unsere andersgläubigen Angehörigen und Freunde an Euch ausliefern? Niemals, sage ich! Niemals werden wir das tun!“
    „Nein! Niemals …“, tönte es wie ein vielstimmiger Chor aus den Reihen der Gläubigen.
    Bérengers Gesicht wurde ganz rot, was nicht an der Kälte lag, und die silberfarbene Mitra schwankte vor und zurück: „Die Katharer sind voller Hinterhältigkeit und Betrug, auch wenn sie bei euch zu Tische sitzen. Sie hängen einem wahren Aussatz an, einer häretischen Seuche, die sich in eure Seelen schleicht, wenn ihr nicht aufpasst, die euer Herz, ja euren gesamten Körper vergiftet! Die Schlangenbrut dieser Stadt, mit klebrigem Schleim behaftet, muss ausgerottet werden. Denn eine einzige verderbte Traube gibt ihr Gift an die anderen weiter, und so wie eine Schweineherde durch das Grind eines einzigen kranken Tieres befallen wird, so werdet ihr durch die Schösslinge dieses Unglaubens auf elende Weise vom Aussatz angesteckt.“
    Es half nichts, der Protest der Gläubigen wurde immer lauter.
    „Lügner!“, rief ein junger Mann, das Gesicht wutverzerrt.
    „Lügner und Heuchler!“, schrie ein anderer, drohend die Faust erhoben, „schweigt endlich, Euer Bischöfliche Gnaden! Eure Worte flößen uns nur Abscheu ein!“
    „Ich merke, Ihr wollt nicht auf mich hören!“, rief Bérenger, und seine tiefe Stimme hallte vom Chor zurück, „also werde ich so laut über euch klagen, dass man von den fernen Gegenden der Erde herankommt, um diese Stadt zu zerstören! Wisset auch das als ganz sicher, dass ihr, auch wenn die Mauern Carcassonnes aus Eisen und von ungeheurer Höhe wären, euch nicht davor schützen könnt, von dem überaus gerechten Richter die gebührende Strafe für euren Unglauben und für eure Schlechtigkeit zu erhalten.“
    Nun schrien sie erst recht wild durcheinander, widersprachen, drohten mit den Fäusten. Hunde kläfften und jagten aufgeregt durch die Gänge. Kinder plärrten. Einige Frauen versuchten, zu beschwichtigen, andere packten ihre Bälger und verließen mit ihnen das Gotteshaus.
    „Die gebührende Strafe? Ach nein“, höhnte da mit schriller Stimme Gaufred Fabri, der Sohn eines Tuchhändlers, in grünen Samt gekleidet. Er lief auf seinen krummen Beinen nach vorne, wo er sich mutig vor die Kanzel stellte und nach oben deutete: „Seht nur, wie der Mann Gottes sich heute ereifert! Ihm, dem für gewöhnlich die Falken und die Jagd mehr bedeuten, als die Armen dieser Stadt, werden doch nicht über Nacht unsere Seelen am Herzen liegen?“
    Gelächter kam auf.
    „Ganz richtig, Gaufred!“, schrie einer. „Der Bischof wäre besser beraten, vor seiner eigenen Tür zu kehren, statt uns den Aussatz an den Hals zu wünschen! Los, Leute, holt die großen Besen, wir wollen ihm zeigen, wie man ein grindiges Schwein zur Stadt hinausjagt!“
    Einige der jüngeren Männer sprangen auf. Die Alten jedoch, die wohl zu Recht einen Aufruhr fürchteten, zogen sich in die finsteren Ecken der Kathedrale zurück. Dort blieben sie zusammengedrängt stehen und starrten ängstlich zum Bischof hinauf, vielleicht in Erwartung eines sofortigen Wunders. Doch dieses blieb aus.
    Bérenger schwankte zwar für einige Augenblicke - es schien, als könne er nicht einschätzen, wie ernst es die Männer um Fabri meinten. Dann jedoch entschloss er sich, vorsichtshalber von der Kanzel zu steigen. Die Heilige Schrift unter den Arm geklemmt, hob er seinen langen Brokatrock an, damit er sich beim Hinuntersteigen nicht im Saum verhedderte. Mit der anderen Hand die Mitra haltend, stapfte er die Stufen hinab. Sein Plan war, sich durch die Sakristei hindurch in sein Palais zu schleichen. Dort würde er nach dem

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