Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Ärmeln seines schwarzen Gewandes wie ein höllischer Engel herumzuwedeln, um den Gestank zu vertreiben.
Ein Chor trat hinter dem Altar hervor. Gute dreißig Mönche, die sich im Halbrund aufstellten. Mit ihren Masken sahen sie aus wie Odysseus` Gefährten nach der Verwandlung durch die Circe. Endlich erhob sich der Erzbischof und gesellte sich zu ihnen. Gemeinsam sangen sie das „hohe Lied“, in dem Gott die Mächtigen vom Thron stößt und die Niedrigen erhöht.
Die Menschen jubelten. Das wollten sie hören, heute, am einzigen verrückten Tag des Jahres, an dem der Erzbischof zum Esel wurde - und der Aze zum Erzbischof.
Zur Eucharistie reichten Sicards Novizen schwarze Würste, und der Knabenbischof, dem die Mitra längst über die Ohren gerutscht war, hielt zur Begeisterung aller das Messbuch verkehrt herum und deklamierte wahrlich gotteslästerliche Verse.
Zum Schluss wurde das große Eselslied angestimmt:
Asinus regnat in nostra ecclesia,
bibamus et saltanus nunc in laetia.
Concurrunt universi gaudentes populi.
Divites et egeni grandes et parvuli.
Deo gratias ! Ite missa est.
ia – ia - ia
„Ia, ia, ia - der Esel herrscht in unserer Kirche, wir wollen trinken und tanzen in Freude“ schallte es durch die Kathedrale.
Doch Alix, die schon geglaubt hatte, diese unselige Messe würde niemals enden, rannen plötzlich Tränen die Wangen hinab, denn das kleine Kind, das sie noch immer festumklammert auf dem Schoß hielt, war tot.
15.
Ein lauer, für die Jahreszeit viel zu warmer Wind strich vom Narbonner Tor die mit getrockneten Rosenblättern und Zweigen bestreuten Straßen und Gassen hinauf.
Carcassonne war für das Schaugepränge herausgeputzt worden. Es gab keinen Turm und kaum ein Haus, wo nicht grüne Palmwedel, Wimpel oder kostbare Behänge aus den Fenstern oder über den Brüstungen hingen. Überall auch die Wappenfahnen der Trencavel - Hermeline, ein Symbol für Reinheit, Adel und Höfischkeit. Das ganze Volk befand sich in aufgeregter Festtagslaune. Durch die Stadt zog der Duft nach Gebratenem und Gebackenem, nach knusprigen Karbonaden, Tauben und Hühnern, nach frischem Fladenbrot, zartem Mandelgebäck und Aschenkuchen.
Der riesige Tross der Edelleute von mehr als hundert Wagen, lagerte seit zwei Tagen außerhalb der Ringmauern, zwischen den beiden Vororten, wo man für die Gäste große, bunte Rundzelte errichtet hatte. Dort hatte sich am frühen Morgen der Festzug formiert.
Als die ersten Fahnen und Wappenschilder vor dem Tor auftauchten, ging das erwartungsvolle Raunen der Leute jedoch rasch unter im mächtigen Getöse der Kirchenglocken.
Endlich kamen sie herein: Einem kräftigen Fahnenschwinger folgten vier rot und gelb gewandete Schalmeienbläser, die – ähnlich durchdringend wie die Trompeten von Jericho - mit gellendem Lärm die Ankunft des Königs von Aragón meldeten. Und da ritt auch schon, unübersehbar für alle Manns- und Weiberleut`, „El Catolico“ heran, wie man den frommen Oberlehnsherr der Stadt und des Razés nannte: König Pedro von Aragón, der zweite seines Namens, begleitet von Rittern und Schildknappen in großer Zahl.
Ein heimliches Seufzen ging durch die Reihen der Frauen, Pedro war nicht nur ein rechter Hüne, sondern auch ein erstaunlich schöner Mann. Sein in der Mitte gescheiteltes, dickes schwarzes Haar war zum Zopf geflochten, und seine Zähne blitzten inmitten des schwarzen Bartes. Die Helmzier, die er unter seinen linken Arm geklemmt trug, war geschmückt mit einem goldenen Basilisken und bunten Reiherfedern, sein blauer Samtmantel perlenbestickt und mit kostbarstem Rauchwerk gefüttert. Eitel grüßte er nach allen Seiten, während einer seiner vorausreitenden Ritter Münzen unter das jubelnde Volk warf.
Links neben dem König ritt seine ebenfalls stattliche Schwester Leonora, die dem mächtigsten Grafen von Okzitanien, Raymond von Toulouse, versprochen war. Ihr Prunkgewand aus dunkelrotem Barchent war mit goldenen Fäden und Flussperlen bestickt und so eng geschnitten, dass man deutlich ihre Brüste sehen konnte.
Für Raymond von Toulouse - er ritt hinter ihr und dem König, sein mit Zobel gefütterter Mantel war über seinem Rappen ausgebreitet - würde es die fünfte Ehe sein, die er einging. Der Tolosaner war ein weiterer Oheim des jungen Trencavel.
Hinter dem Grafen und seinen unzähligen Höflingen grüßte adelsstolz Ramon, der Graf von Foix in die Menge - ein kleiner, zur Korpulenz neigender, oft jähzorniger Mann, mit jedoch lustig
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