Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Erzbischof verbrachte, etwas von der Schärfe des Bösen genommen hatten, war der Fluchtplan nie aufgegeben worden.
Der verzweifelte Brief an den Legaten Gui jedoch, den Alix nach der ersten Misshandlung geschrieben hatte, befand sich noch immer in ihrem Besitz. Tagelang war Estrella durch die Stockwerke des Palais geschlichen, um eine zuverlässige Person zu finden, die bereit war, die Nachricht weiterzuleiten. Vergebens! Weder die Goldmünzen, noch der Schmuck hatten jemanden verlocken können, auch nur in Erwägung zu ziehen, den Erzbischof zu hintergehen. Der bucklige Flötenspieler war der Beweis für die Angst, die Bartomeu von Cahors verbreitete: Seine Bischöfliche Gnaden hatte den Kerl peitschen lassen, und dieser hatte ihm dafür die Hand geküsst.
In ihrer Verzweiflung baten die Frauen eines Tages Rashid um Hilfe. Vor allem Alix wollte in den Augen des Mauren mehr als einmal etwas erkannt haben, das nach Mitleid aussah.
„Ihr wollt fliehen? Basmala - im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes, das ist unmöglich! Gebt Euren Plan sofort auf. Der Sidi lässt das ganze Land nach Euch durchkämmen. Ich kann Euch nicht helfen. Jede Nachlässigkeit, jeden Verrat bestraft der Herr mit dem Tode. Kommt mit mir!“
Er führte sie aufs Dach, dann über einen schmalen Steig bis hin zu einer bestimmten Schießscharte. Von dort aus ließ er die beiden Frauen hinunter auf einen kleinen Platz blicken.
„Der Rabenstein! Wünscht Ihr, dass ich eines Tages dort hänge?“
Seitdem ging den Frauen das schreckliche Bild der vier nackten Männer am Galgen - die Gesichter dunkel und aufgedunsen - nicht mehr aus dem Kopf.
„Beim Seligen Isidor von Sevilla“, sagte Estrella oft, „ich nehme gern in Kauf, noch eine Weile in diesem elenden Dreckloch bei Mathilde und den anderen Frauen leben zu müssen, wenn es nur eine Hoffnung gibt! Eine winzig kleine Hoffnung!“
Die Schwangere starb. Kurz nach der Geburt - alle Frauen hatten mitgeholfen, Bartomeus Sohn zu entbinden - war es ihr plötzlich sehr schlecht gegangen. Sie hatte vor Schmerzen gestöhnt und stark geblutet. Estrella hatte nach Rashid gerufen. Doch es waren nur zwei Novizen gekommen, die die junge Frau mitsamt ihrem Kind wegbrachten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie wohl schon nicht mehr gelebt.
Seitdem machte sich die Kastilierin noch viel größere Sorgen um Alix. Was, wenn auch sie ein Kind vom Drachen bekam?
Sie mussten raus aus diesem babylonischen Turm, in dem man sich nicht verständlich machen konnte, weil einen niemand verstehen wollte.
13.
Bekanntlich klemmt beim ersten Wort der Messe der Teufel den Schwanz ein, doch dieses Mal war es anders. Der Unmut wuchs schnell. Als Bischof Bérenger am Epiphaniasfest des darauffolgenden Jahres in Carcassonne auf die Kanzel von Saint-Nazaire stieg, um Innozenz` Drohung unter die Leute zu bringen, konnten die Gläubigen es nicht fassen. Rom plante tatsächlich einen Kreuzzug gegen Okzitanien? Hatte denn nicht jedermann Sorgen genug, der trotz des schneidenden Cers-Windes pünktlich zur Messe erschienen war? Zwar ging es niemandem wirklich schlecht in der Stadt - selbst ein armer Tischler verdiente acht Deniers täglich und kaum einer hungerte -, aber ein jeder Tag hatte doch auch hier seine eigene Plage! Einen Kriegszug gegen die Katharer war das Letzte, was man brauchen konnte!
Ein Murren kam auf im Gotteshaus, ein Geraune und Gezische, wie man es lange nicht mehr vernommen hatte. Schließlich gab es in fast jeder Familie einen, der irgendwann zum katharischen Glauben übergewechselt war. Im Grunde war es einfach: Entweder man wuchs mit der Häresie auf, oder neben ihr. In beiden Fällen hatte sie bislang kein Unheil angerichtet. Doch jetzt, wenn es stimmte, was der Bischof predigte, behandelte Rom die katharischen Christen wie die heidnischen Muselmanen im Heiligen Land! Was war eigentlich das Christentum noch wert, wenn man das Schwert gegeneinander erhob?
Nur wenige Katholiken in Carcassonne fühlten sich nicht betrogen von ihrer Kirche und von Bischof Bérenger, der irgendwann auch dem Vizegrafen den Treueid geleistet hatte und ihm nun derart in den Rücken fiel.
Was an diesem Dreikönigstag geschah, bewies, dass die Bürger von Carcassonne ein ganzes Stück freier waren als diejenigen von Cahors, denn der Trencavel war ein überaus duldsamer Herr, der obendrein mit großer Umsicht die Miselsucht in der Stadt bekämpft hatte. Seit Weihnachten war kein neuer Fall mehr aufgetreten. Und nun sprach
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