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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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verwarf sie den Gedanken wieder. Kleine Kinder gab es überall in der Stadt.
    Soldaten geleiteten sie und machten der Prozession Platz. Der Erzbischof ritt vorneweg auf seinem Zelter, hinter ihm Rashid, dann Alix mit dem Kind, gefolgt von Bischof Sicard und seinen Mönchen, die weitere Psalmen und Litaneien sangen, Weihrauchkessel schwenkten, lange Kreuze oder Monstranzen trugen.
    Ihr Weg führte durch belebte, jedoch ungewöhnlich saubere und festlich herausgeputzte Straßen. Es war Alix` zweiter Besuch der Kathedrale; für gewöhnlich geleitete Rashid sie zur Messe in die Klosterkapelle.
    Aufmerksam musterte sie die hohen Mauern und Türme, die Wehr- und Säulengänge, an denen sie vorüberzogen. Sie wollte sich alles gut einprägen für den Fall, dass ihr eines Tages die Flucht gelang. Etliche Gassen waren schwarz von Menschentrauben. Zwischen dunklen Kaufmannsgewölben und offenen Arkaden führten schmale, oft verwinkelte Treppenwege irgendwohin die Hügel hinauf, wo sich Haus über Haus türmte, Hütte über Hütte. Die Stadt kam Alix riesig vor. Viel Volk drängte herbei, um den fürstbischöflichen Zug zu betrachten, und immer wieder gab es Stockungen, weil eine der am Wegesrand stehenden Frauen zu Bartomeu hinlief, den Saum seines Gewandes zu küssen.
    Seine Bischöfliche Gnaden grüßte huldvoll in die Menge. Vereinzelt winkte jemand zurück, die meisten verbeugten sich stumm, ehrerbietig.
    Alix war vor allem gespannt, was sie in der Kathedrale erwartete. Sie hatte bereits von solchen „Eselsmessen“ gehört, ausgelassenen Narrentreiben, die meist in den letzten zwölf Tagen des Jahres stattfanden, wo man alle Fünfe gerade sein ließ und die religiöse Welt absichtlich auf den Kopf stellte. Doch ihr Vater, für vielerlei Späße, Musik, Tanz und Vergnügungen zugänglich, hatte Eselsmessen in seiner Stadt nicht geduldet, wie auch Pater Nicolas und Bischof Fleix nicht. Weltliches habe in den Kirchen nichts zu suchen, war ihre Meinung gewesen.

    Ein mächtiges Brummen drang schon von weitem an ihre Ohren, dazu ein Kratzen und Raunen, das an ein riesiges Hornissennest erinnerte. Das Tor der Kathedrale stand weit offen und Alix war, als würde das Kirchenschiff vor Menschen bersten.
    Im Nu war der Esel von kläffenden Hunden umkreist, worauf er sich weigerte, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Er schrie derart erbärmlich, dass die Leute, die sich noch im Vorhof der Kirche befanden, lachten und ihn nachahmten. „Ia, Ia, Ia …“ schallte es auch aus der Kirche heraus. Doch das Geschrei ließ das arme Tier nur noch verstockter werden.
    Alix war ratlos. Der Cahors war längst abgesessen und in der Kathedrale verschwunden.
    Sie packte das Kind fester um den Leib und sah sich nach Rashid um, der mit einem der Mönche redete, die das Tor bewachten. Die beiden gestikulierten, während die Sparrenköpfe und die wasserspeienden Gargoylen, hoch über ihnen, dämonisch grinsten.
    Endlich kamen Novizen, um die Köter zu verjagen. Der Esel jedoch bockte weiter, schlug nun auch noch aus, so dass Alix mit dem Kleinen ins Schwanken geriet. Unter Ziehen und Schieben versuchten die Mönche den Esel zum Weiterlaufen zu bewegen. Doch die laute Katzenmusik, das Lachen und Quatschen, Quieken, Meckern und Miaunzen, ja, das schräge Gefiedel und Gebelle, das inzwischen aus der Kirche drang, missfiel ihm sehr. Der Graue sträubte sich weiter, schüttelte sowohl den Schwanz mit der langen Quaste, als auch die großen Ohren. Die Novizen hielten inne, um sich zu beraten.
    Wenn Alix den Hals reckte, konnte sie über ihre Köpfe hinweg in das Innere der Kirche sehen. Der Erzbischof stand auf den Stufen des Altars und ließ dort offenbar jegliche „Eselei“ geduldig über sich ergehen. Eine Handvoll kostümierter Burschen hatte ihm Mitra, Pelz und Umhang abgenommen und, unter dem Jubel der Zuschauer, ein Eselskostüm mit langen, herabhängenden Ohren über den Kopf gestreift. Alix kam größte Lust an, zu lachen, als der „Esel Bartomeu“ mit einer Laute in der Hand sich tief vor seiner Gemeinde verbeugte, und ein lateinisches Kirchenlied anstimmte, das gleich darauf tausendfach verstärkt bis zu ihr hinausschallte:

    Orietis partibus
    Adventavit asinus
    Pulcher et fortissimus.
    Saltu vincit hinnulos,
    Damos et capricolos,

    Das Lied besagte, dass aus dem Orient ein Esel erschienen sei, schön und mächtig, der alle Rehkälber, Hirsche und Rehböcke besiegt hätte …
    Nachdem sich aber das „schöne und sehr mächtige“ Tier -

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