Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Feiernden. Allerdings hätte wohl auch der größte Regenschauer die Leute nicht am Kommen gehindert.
Die ersten Zulegteller und Schüsseln wurden aufgetragen, wobei den Gästen schier die Augen übergingen, was alles geboten wurde. Selbst der Trencavel hatte gestaunt, als ihm Gaston, der Küchenmeister, beim Vorlegen des Rechnungsbuches die Liste mit dem Bedarf vorgelesen hatte: Hundert Rinder, hundertdreißig Schafe, hundertzwanzig Schweine und zusätzlich für jeden Tag des Festes hundert Ferkel zum Braten oder für andere Gerichte, zweihundert Zicklein, hundert Lämmer, dreitausend Eier. Dazu Rehe, Hasen, Kaninchen und Rebhühner. Auch Fisch gab es in ausreichender Zahl, vor allem für diejenigen, die aus religiösen Gründen kein Fleisch aßen - und das taten in Carcassonne viele. Der letzte Gang jedoch würde aus vergoldeten Hasen bestehen, die in einem grünen Kräuterbett saßen …
In den Pausen, die nicht nur eingelegt wurden, um letzte Hand an die nächsten herrlichen Gerichte zu legen, sondern auch, um zu verdauen, präsentierten Aaron und seine Diener die Geschenke. Kindlich staunend betrachtete Inés, wie prächtige Falken mit goldenen Glöckchen um den Hals zum Vorschein kamen, Silberbecher mit Deckeln, Löffel und Salzfässchen aus Bergkristall, wertvolle Samtmäntel mit Edelsteinen und Perlen bestückt, glänzende Rüstungen und kostbare bunte Decken für Pferde, Tafelaufsätze aus reinstem Silber, edle Gewürze, kleine Fässer mit seltenem Wein, mit Seide ausgeschlagene Kistchen, in denen sich Meeresperlen befanden, unzählige goldene und silberne Ketten, Pokale, wertvolle Bücher und Schriftrollen, Hermeline und andere Pelze …
Der König von Aragón ließ dem Brautpaar zwei schöne Windhunde überreichen, das eine Tier blaugrau, das andere schwarz. Beide trugen breite gehämmerte Halsbänder aus Gold.
Pedro, der auf dem Ehrenplatz rechts neben der Braut saß, und bei Tisch einen verwegenen Hut mit grün- und blauschillernden Pfauen- und Fasanenfedern trug, schwärmte in höchsten Tönen von der Lerchenpastete, von der er gerade kostete. Als er sich die kleine Senfschüssel reichen ließ, beugte er sich zu Inés hinab und raunte in ihr Ohr:
„Eure Stiefschwester Marie ist eine ebenso schöne Frau wie Ihr es seid!“ Zugleich, und mit einem schier raubtierhaften Grinsen im Gesicht, nickte er in die Richtung von Doña Agnès und Marie, die direkt vor ihm, jedoch unterhalb der Estrade mit ihrer niedrigen Brüstung saßen. Und beide, als ob sie darauf gewartet hätten, nickten huldvoll zurück.
Inés ließ es sich nicht anmerken, aber sie wurde entgegen ihrer Art recht ärgerlich, als endlich auch sie begriff, dass Marie auf ihrem Fest mit dem König von Aragón verkuppelt werden sollte! Großmütigkeit war zwar eine der Tugenden, die es zu pflegen galt, doch im Augenblick drängte es Inés eher dazu, den Plan der Mutter zu vereiteln, indem sie „El Catolico“ auf die Nase band, dass es in ihrer Familie noch eine weitere hinreißende Schönheit gab, die alle anderen ausstechen würde, käme es auf einen Vergleich an: nämlich Alix!
Ach, Alix … Wie sie noch immer ihr herzliches Lachen vermisste. Wie stolz wäre die Schwester heute gewesen, an der Seite Raymond-Rogers! Tugenden hin und her - niemals im Leben durfte ihr Gemahl, und somit auch der König nicht, die Wahrheit erfahren! Wie stand sie da, wenn alles herauskam? Eine Verräterin an der eigenen Schwester.
Mit einem Mal waren Inés die Freude am Fest und der Appetit gründlich vergangen.
Sie legte den Löffel beiseite. Die Soße Cameline enthielt entschieden zu viel Zimt! Ob sie nach den Festtagen mit Gaston darüber redete? Es war ihre Pflicht, die Dienstboten zu belobigen und zu tadeln. Dennoch widerstrebte es ihr, den Küchenmeister auf einen Missstand aufmerksam zu machen, schließlich hatte er bereits weißes Haar. Allerdings war da noch eine andere Sache: Beim Abzählen der Säcke mit dem teuren Paradieskorn, den Nelken, Muskatnüssen und dem Zimt hatte Gaston versucht, sie übers Ohr zu hauen. Den Zimt fände man in einem fremden, heißen Land, hatte er ihr mit einem Augenzwinkern erklärt, und sie damit abzulenken versucht. Er sei im Nest eines Vogels namens Phönix zu finden… Aber sie hatte genau gesehen, dass Gaston zwei Säckchen mit Paradieskorn nicht mitgezählt hatte. Alix hätte nicht lange gefackelt, dachte Inés bei sich, sondern den Küchenmeister sofort zur Rechenschaft gezogen! Bereits als Kind war sie sehr
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