Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
zwinkernden Augen. Gleich zwei Edelfrauen befanden sich an seiner Seite: Seine Gemahlin Philippa, von der es hieß, sie gehöre insgeheim der Glaubensgemeinschaft der Waldenser an, sowie seine schöne Schwester Esclarmonde, die seit langem zu den glühendsten Verfechterinnen des Katharertums zählte. Wie vielen angesehenen Adligen Okzitaniens bedeutete auch ihr die Paratge alles: die Ehre und die Achtung vor der Gleichheit der Seelen. Zwei Finger in die Schnur ihres tannengrünen Tasselmantels aus kostbarer, schwerer Seide gelegt, saß sie in stolzer Haltung auf ihrem Pferd. Als der Wind, der in den engen Gassen Carcassonnes gerne seinen Schabernack trieb, in ihr dunkles, welliges Haar fuhr, lachte sie.
Nach der stattlichen Schar weiterer Edelleute, überwiegend dem Haus Trencavel zugehörig, folgte die Hohe Geistlichkeit: Der Bischof von Toulouse mit seinen Prälaten, die Bischöfe von Albi, Lodéve und Béziers, die mit ihren prachtvollen, steifen Gewändern dem Adel in Nichts nachstanden. Am Schluss des Festzuges ritten, nicht weniger stolz, die in dunkle Umhänge gekleideten Katharerbischöfe aus den vier Bistümern Okzitaniens, hinter ihnen ihre Vertreter.
Im Ehrenhof des Palatiums, unter dem breitausladenden, noch unbelaubten Geäst der Feudalulme, machte der Zug halt. Vor der Freitreppe wartete bereits ein vor Angst schwitzender, aber dennoch stolzer Spielmann, an seiner Seite eine Handvoll berühmte Sänger. Selbst Wilhelm von Tudéle war gekommen. Weitgereiste Troubadoure waren in Carcassonne keine Seltenheit. Die Älteren erinnerten sich noch gut an den „Liebeshof“, den Raymond-Rogers Mutter Adelaïde hier unterhalten hatte. Echte Berühmtheiten, wie Guiraud von Salignac oder Arnault von Maruelh, waren in Carcassonne zu Gast gewesen.
Der Hofmeister Aaron öffnete weit das Tor zum Festsaal. Seine neue schwarze Robe fiel in vollendeten Falten von seinen mageren Schultern. Er war nicht weniger aufgeregt als Villaine, nur ließ er es sich nicht anmerken. Dass er das Kunststück fertiggebracht hatte, sämtliche Gäste geziemend unterzubringen, erfüllte ihn mit Stolz.
Lauter Beifall und Jubel brandete auf, als der Bräutigam heraustrat, flankiert von den Burgvögten und Rittern der Stadt - unter ihnen auch Otho von Mirepoix, der sich seinerzeit seinem Herrn zu Füßen geworfen und um Vergebung für sein eigensüchtiges, feiges Verhalten beim Ausbruch der Miselsucht gebeten hatte.
Geleitet von Bertrand von Saïssac erschien endlich auch die junge Braut. Im apfelgrünen Festgewand, der gertenschlanke Leib mit feinen goldenen Kordeln geschnürt, trat Inés neben ihren Gemahl. Auf grüne Seide hatte sie bestanden, weil Alix immer der Meinung gewesen war, dass diese Farbe besonders gut zu ihren Haaren passte. Demütig, aber mit einem heiteren Lächeln auf den Lippen, verneigte sich Inés vor den Gästen. Seit Tagen bemüht, sich in all den Tugenden zu üben, die ihr Eleonore von Saïssac ans Herz gelegt hatte, machte ihr einzig die „Wahrheitsliebe“ zu schaffen, wenn sie an ihre Schwester dachte, die sich für Montpellier aufopferte.
„Soll man dir Wasser bringen, Liebste?“ Der Trencavel dämpfte die Stimme.
Inés schüttelte tapfer den Kopf. Gegen den Schluckauf, der sich in Carcassonne wieder eingestellt hatte, war offenbar kein Kraut gewachsen. Sie lächelte weiter und versuchte, sich zu beruhigen, indem sie sich ablenkte und im Meer der Gäste nach ihrer Mutter Ausschau hielt, die bis zum gestrigen Tag noch nicht eingetroffen war. Inés sorgte sich.
Der Vizegraf von Carcassonne hingegen hätte am liebsten nur immer seine schöne Braut betrachtet. In der Nacht zuvor, als er sie zum ersten Mal in seinen Armen gehalten hatte, war das Verlangen nach ihr so groß und übermächtig gewesen, dass er seine Angst, sie zu erschrecken, bald vergaß. Freilich hatte jeder Mann, ob von Adel oder gemeinem Stande, mit der Wolllust zu kämpfen; plagte jedoch einem Kerl aus dem Volk sein Geschlecht, tat er es einfach. Das hatte der Trencavel erfahren, denn die Mägde, die er für gewöhnlich in sein Bett zog, wenn ihn der Trieb überkam, zierten sich nie lange. Eine Jungfer von Geblüt jedoch, das sagten alle - hegte andere Erwartungen. Zu seiner Überraschung hatte sich ihm Inés aber bereits nach kurzer Vorbereitung mit einem seligen Lächeln hingegeben - wenn auch mit zusammengekniffenen Augen; und die Vorfreude auf die kommende Nacht, auf das, was er mit ihrem schmalen, biegsamen Körper alles tun würde,
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