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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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seinem Meister ein Wort für sie ein. Sie finde ihn von heute an, jeden Morgen um diese Zeit hier beim Torbogen.
    Alix dankte und versprach, sich die Sache zu überlegen. Dann lief sie weiter.
    Der Junge war vertrauenerweckend. Doch eine Woche! Das bedeutete, sie brauchte Geld und eine sichere Unterkunft bis dahin. Oder sie fand eine andere Möglichkeit, die Stadt zu verlassen.
    Immer geschickter werdend, ging sie einem Farbenreiber und einem Wappenmaler aus dem Weg, und schloss sich zwei Sänftenträgern an, die auf einen hölzernen Übergang zuliefen, hinter dem sich dann gänzlich unvermittelt ein noch größerer Platz auftat, der eng an eng mit harten Kieseln gepflastert war.
    Hier blieb Alix stehen. Rings um den Platz wechselte ein Ladenfenster das andere ab.
    „Es gibt keine klügeren Menschen als die Juden“, hatte sie den Vater einmal sagen hören. Dass sie sich gerade jetzt daran erinnerte, als ihr Blick auf den nach außen geklappten Laden eines Goldschmiedes namens Mordechai Löw fiel, empfand sie als ein gutes Omen. In Montpellier waren viele Juden ansässig gewesen, geachtete Geschäftsleute. Über ihren Glauben hatte Alix kaum etwas erfahren, einzig das, was das Gesinde erzählte, nämlich dass sie Gottes Sohn umgebracht hätten und Hostien schändeten. Allgemein bekannt war auch, dass sie ihre religiösen Feiern in Hebräisch abhielten, einer Sprache, die außer ihnen selbst niemand verstand, was einen nur misstrauisch machen musste. Allerdings, das durfte man ruhig zugeben: Auch viele Christen konnten mit der lateinischen Sprache, die in den Kirchen gesprochen wurde, nichts anfangen.
    Vor dem Laden angekommen, zögerte Alix, ihren Handel von der Straße aus zu tätigen, wo jeder sie sah. Aber konnte man das Haus eines Juden einfach so betreten?
    Wie hatte die dicke Blanche immer gesagt? Wer fünf Nesselblätter in der Hand hält, den befällt keine Furcht mehr. Aber was konnten gemeine Nesselblätter gegen ein Reliquiar wie die Nabelschnur Jesu ausrichten! Andererseits glaubten die Juden gar nicht an Jesu, wenn die Dienstboten recht hatten. Einmal hatte Alix jemanden sagen hören, dass sie kleine Kinder schlachten würden. Da war sie ganz aufgeregt zum Vater gelaufen, um ihn zu fragen. Wilhelm jedoch hatte das Gerede mit einer Handbewegung zur Seite gewischt. Sie beschneiden ihre Knaben, hatte er gesagt, wobei mitunter Blut fließe. Er hatte ihr jedoch nicht erklären wollen, was darunter zu verstehen war.
    Ein Weinverkäufer lief an ihr vorüber, ein finsterer Geselle mit einem riesigen schwarzen Schlauch über der Schulter. Bildete sie es sich nur ein, oder hatte er sie merkwürdig angesehen? Alix stellte sich vor den benachbarten Kräuterladen, und tat so, als begutachtete sie die dort ausgelegte Ware. Malvenblüten, getrocknete Mariendisteln, Wurzeln vom Zuckerkraut und von der Pimpinelle. Eine gepresste Stimme war zu hören: „ Dialanga dracumino dazinsebri , zu gleichen Teilen …“ Es klang, als ob sich jemand beim Reden die Nase zuhielt - vielleicht des bitterscharfen Geruches wegen, der aus dem Laden drang? Dialanga dracu …? War das hebräisch? Alix trat einen Schritt zurück. Die Inschriften auf den Schiefertafeln und den bemalten Ladenschildern schienen ihren Verdacht zu bestätigen. Jüdische Namen ... Doch ihr Herz begann zu pochen, als ihr Blick auf die Sterne mit sechs Zacken fiel, die sich über den Türstürzen der Häuser befanden – ineinander verflochten wie diejenigen, die sie auf dem alten Plan in Bartomeus Bibel gesehen hatte! Ein Hinweis, dass auch die Orte Carcassonne und Reda in jüdischer Hand waren? Oder dass sich dort vielleicht ... das Gold des Judenkönigs Salomon befand? Und das Gewicht des Goldes, das für Salomo in einem Jahr einkam ... Rätselhaft war das alles, ja rätselhaft!
    Nun, es gibt keine klügeren Menschen als die Juden! Alix riss sich zusammen. Sie vergeudete nur Zeit, anstatt endlich Vaters Rat zu beherzigen, einzutreten und den Verkauf hinter sich zu bringen. Unwahrscheinlich, dass ein Jude ausgerechnet den Erzbischof der Stadt verständigte, wenn ihm eine junge Frau ein Schmuckstück anbot.

    Mordechai Löw, ein schmächtiger Mann mit langem schwarzen Bart, saß, weit über den Tisch gebeugt, auf einem Stuhl im hinteren Bereich seines Ladens, und rechnete. Als er Alix unter dem Türrahmen stehen sah, bat er sie höflich herein - und um einen winzigen Augenblick Geduld. Mit flinken Fingern schob er die Calculi auf seinem Rechenbrett hin und her,

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