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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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ihn zu haben, stellte sich nicht mehr ein.
    Ihr Blick fiel auf Bartomeus Arbeitstisch, wo sich in einer kleinen Holzkiste dieses wertvolle Glasrohr mit einem Stück der Nabelschnur Jesu befand, die ihr der Cahors kürzlich stolz gezeigt hatte. Eine neue, wundertätige Reliquie, auf Schleichwegen aus Jerusalem hierher verbracht. Sein Plan war, sie nach der Quadragesimae , der Fastenzeit, feierlich in die Kathedrale zu überführen. Doch die bevorstehende Romreise hatte wohl alles durcheinandergeworfen. Die Romreise! Sie bedeutete vielleicht eine bessere Gelegenheit für sie zur Flucht ...
    Alix stellte den Leuchter ab. Die Wachslichter waren weit heruntergebrannt. Neben einem silbernen Kruzifix, einer Sanduhr, einem Glas mit Gänse- und Entenkielen, Federmessern, Tintenfass, sowie einem kleinen, noch mit Wachs versiegeltem Rinderhorn, lag das Kästchen aus Sykomorenholz, das die Phiole enthielt. Sie klappte den Deckel hoch und betrachtete das braune, in sich verdrehe Gebilde, das sich darin befand. Da sie es nicht wagte, das Glas herauszunehmen, schloss sie den Deckel wieder und schlug stattdessen das Kalendarium auf, das fein ausgerichtet neben der wertvollen Heiligen Schrift lag. Den Leuchter zog sie ein Stück zu sich heran. Die jüngsten Einträge lauteten: „Abreise nach Rom!“ und „Die Geheimen Worte!“
    Die Geheimen Worte? Nie gehört … Sie blätterte zurück.
    Rätselhafte Abkürzungen, viele Namen, von denen ihr ein einziger bekannt war: „Salvagnac“. Alix erinnerte sich an einen Abend, als sie beim Schachspiel saßen und Bischof Sicard hereingeplatzt war. Die beiden hatten miteinander geflüstert. Bartomeu war immer lauter geworden, zum Schluss hatte er gezischt: „Salvagnac soll sich darum kümmern!“ Sichtlich zufrieden war Sicard gegangen.
    Alix klappte das Kalendarium zu und strich mehrmals ehrfurchtsvoll mit ihrer Hand über den kunstvoll geschnitzten Holzdeckel der Heiligen Schrift, die uralt sein sollte. Der Cahors hatte ihr verboten, sie zu öffnen.
    Nach einem vorsichtigen Blick auf den Schlafenden schlug sie das Buch dennoch auf, blätterte eine Weile darin herum, bewunderte die goldenen Initialen zu Beginn eines Kapitels und die vielfarbigen Bordüren. Plötzlich entdeckte sie, dass an einer Stelle etwas herausschaute. Ein Pergament? Ihr Herz begann zu klopfen. Erneut warf sie einen prüfenden Blick auf den Erzbischof. Er schlief wie betäubt.
    Das Schreiben, das sie aus der Heiligen Schrift herausfischte, war nur unwesentlich größer als die einzelnen Seiten der kostbaren Bibel: 1. Könige 10, 14 stand dort geschrieben - es war die Handschrift des Erzbischofs - dann, in denselben schönen gleichmäßigen Lettern und lateinischer Sprache:

Und das Gewicht des Goldes,
das für Salomo in einem Jahr einkam,
waren sechshundertsechsundsechzig Talente …

    Im Kalendarium „Geheime Worte“, und hier „Das Gewicht des Goldes und der König Salomo?“ Alix las die Zeilen ein weiteres Mal. Ging es vielleicht um die Eselsmesse, bei der es geheißen hatte, die Kirche verdanke dem Esel das Gold des geheimnisvollen Landes Saba? Wie war das doch gleich? Die Königin von Saba reiste nach Jerusalem, um Salomo mit Rätselfragen zu prüfen. Sie kam mit einem großen Gefolge, mit Kamelen - nun ja, sicherlich auch mit Eseln, und brachte seltsame Spezereien ins Land, sowie die Samen des Weihrauchbaumes und der Myrrhe, hieß es. Und sie führte Gold mit sich, das stand fest, viel Gold. Alix drehte das Pergament um. Auf der Rückseite ging es weiter. Zeilen, die an einen Bruder namens „Anicet“ gerichtet waren.
    In nomine domini … Alix, geschult an lateinischen Texten, begann zu lesen. Es ging um eine ehemals bedeutende Abtei im Aude-Tal, die vor vierzig Jahren aufgrund des Dammbruches eines Sees spurlos verschwunden war. Einer der Mönche hätte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können, war zu lesen, sollte aber über dem Unglück verrückt geworden sein. Als er starb, hätte man unter seinen wenigen Habseligkeiten eine merkwürdige Zeichnung gefunden.
    Der Cahors schrieb, dieser Plan führe zu einer prächtigen Goldader, die schon die Römer entdeckt, aber nur zum Teil abgebaut hätten. Er mahnte Bruder Anicet zu größter Vorsicht. Sollte er jemals den Berg besteigen, um nach dem Gold zu suchen, sei er danach nicht mehr derselbe, denn die Luft dort sei voll von seltsamen nächtlichen Spiegelungen, die jeden Christenmenschen in den Wahn trieben, der nicht seine Augen senke oder sie verbinde.

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