Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
gar Kesselflickern an, konnte sie leicht vom Regen in die Traufe geraten.
Nach kurzem Überlegen stand ihr Entschluss fest: Es war tausendmal besser, den Anhänger zu verkaufen, als das Kind eines Wahnsinnigen zu empfangen!
Unverzüglich machte sie sich auf den Weg in die Innenstadt, wobei sie sich an den Kuppeln von Saint-Etienne orientierte, aber zugleich einen weiten Bogen um jene Straßen machte, durch die sie auf dem Esel geritten war. Sie hatte Angst, dort dem düsteren Sicard oder einem seiner Mönche zu begegnen.
„Heiße Fladen, heiße Karbonaden!“, drang es bald von allen Seiten an ihr Ohr, und der fast unwiderstehliche Geruch nach Gebratenem und Gebackenem ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen. Eilig lief sie an den Garküchen der Fleischbrater, Pasteten-, Fisch- und Froschverkäufer vorüber, passierte schmale, weit vorgekragte Hauswände und enge, dunkle Torwege, lief ein Stück bergauf, dann wieder gen Westen, und landete bald in einem Geflecht finsterer Höfe und düsterer Treppengassen, die kaum die Luft durchwehte und in denen schwarze Schweine und räudige Hunde einträchtig im Straßenkot herumwühlten.
Ratlos blieb sie stehen. Sie hatte sich verlaufen …
„O, heilige Jungfrau von den Tischen“, seufzte sie. Wo befand sich nur das Viertel mit den reichen Geschäften? Schon begann sie Aufsehen zu erregen … Ein Junge pfiff von weitem, anderes lichtscheues Gesindel, das herumlungerte, merkte auf. Hunde sprangen auf sie zu ...
Mit klopfendem Herzen, und nicht schneller als nötig, lief Alix in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war, zwei, drei Gassen hinunter - bis sie zu ihrer großen Erleichterung auf jene breite, recht belebte Straße stieß, die sie bereits kannte und deren rinnender Gosse sie nun folgte.
„Seht her, ich hab gut Schnur im Unterhemd“, rief ihr die erstbeste Krämersfrau zu, die ihr begegnete, „und im Korb hab ich Nadeln, Bürsten und Kämm`, Fingerhut, Taschen und Nestel viel, Heftlein und Häklein, wie man`s will!“
Alix beachtete sie nicht. Den Blick weitgehend zu Boden gerichtet, rannte sie weiter. Zweirädrige Maultierkarren rumpelten an ihr vorüber, vollbeladen mit Gütern aller Art.
Kinder schnappten nach dem Saum ihres Gewandes. Eine dicke Alte abzuwehren, war bedeutend schwerer, denn die Frau hielt sie dreist am Arm fest, um ihr Pomaden für das faltige Gesicht anzudrehen und Weinsteinöl zum Einreiben gichtiger oder geschwüriger Glieder.
Unauffällig, wie sie meinte, mischte sich Alix unter die dichter werdenden Menschenströme, die zu Fuß, auf Eseln oder mit Maultier-Karren auf der breiten Straße unterwegs waren. An der Kathedrale vorbei überquerte sie weiträumige Plätze, weitere Straßen, sowie kleinere Märkte, kam an Türmen, Brücken, Hospizen und einem Geviert neuerer Häuser vorüber, bis sie endlich in das wohlhabende Kaufmannsviertel von Cahors gelangte, in dem es kaum mit Stroh gedeckte Dächer gab, sondern solche mit Schindeln. Hier standen Häuser aus Stein, und einige Straßen waren sogar mit Kieselsteinen gepflastert. Doch als sich Alix unter einen breiten Torbogen stellte, der zu einem weitläufigen Kaufmannsgewölbe führte, um von dort Ausschau nach einem Händler zu halten, der Gold ankaufte, fuchtelte unvermittelt ein junger Mann mit einer wahrhaft furchtauslösenden Zange vor ihrem Gesicht herum.
„Heran, heran, welcher hat einen bösen Zahn!“, schrie der Zahnausbrecher ihr ins Ohr, so dass Alix, schon um der fürchterlichen Zange zu entgehen, wieder hinaus in das Sonnenlicht stürzte, wobei sie jedoch mit einem anderen Ausschreier zusammenprallte, dessen Rufe: „Hört ihr Leute allegleich, hier ist ein Doktor künstenreich! Er kann mit meisterlichen Sachen, Blinde wieder redenmachen!“, sie schon eine ganze Weile verfolgt hatten.
Der Junge, ein netter Kerl mit freundlichen Augen und einer riesigen grünen Gugel auf dem Kopf, lachte hellauf, als er ihr erschrockenes Gesicht sah, so dass Alix gar nicht anders konnte, als in das Lachen einzufallen. Sie zog ihn am Ärmel. „Sag mir, zieht ihr vielleicht bald weiter, du und dein Meister Künstenreich, für den du Kranke suchst? Wohin führt euch euer Weg? Ich …“, sie sah sich unauffällig um, „ich suche eine anständige Reisegruppe, der ich mich anschließen kann.“
Der Junge schüttelte aufrichtig bedauernd den Kopf. Sie seien gerade erst in Cahors angekommen, sagte er zu ihr, doch in einer Woche zögen sie weiter gen Albi; gern lege er bei
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