Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Euren unerschütterlichen Glauben an die Wiedergeburt nicht erlöster Seelen?“
„Hat Euer Oheim nie mit Euch darüber gesprochen? Nun, der Glaube an die Seelenwanderung ist durch den Einfluss der griechischen Philosophie zum katharischen Dogma geworden“, erklärte die Vizegräfin, den Stickrahmen, den sie in der Hand hielt, zur Seite legend.
„Ihr sprecht von Platon?“
Esclarmonde nickte. „Richtig. Bereits er kannte die irrende Seele, die aus der lichten Welt des Geistes in die niedere Stofflichkeit verbannt ist und aus ihr heimverlangt. Das Los der Seele nach dem Tod ist jedoch verschieden, je nachdem, ob sie sich als höherstehend, reumütig oder widersetzlich erweist.“
„Und was ist mit der Auferstehung am Jüngsten Tag?“
„Am Jüngsten Tage leiblich auferstehen, das zu glauben, erscheint uns Katharern als der Gipfel des Unsinns! Vergesst eines nicht, Raymond: Jesus ist unser Fährmann, unser Meister. Er weist uns - sprich den Seelen - den rechten Weg zum Licht! Der Leib wird nicht mehr benötigt.“
Der Trencavel nickte nachdenklich.
„Doch, um auf unsere große Sorge zurückzukommen“, fuhr Esclarmonde fort: „Ihr solltet Pedro von Aragón in beiden Fällen um Hilfe bitten, in beiden Fällen!“
Der Trencavel stellte seinen Becher ab. „Aber was sollte El Catolico mit meiner Schwägerin zu tun haben?“
„Nun, stellt Euch einmal vor, Raymond, es gelingt Euren Spielleuten, Alix zu befreien. Der Erzbischof wird vor Wut außer sich sein, wenn er es erfährt. Er wird intervenieren, Euch vielleicht sogar anklagen. Auf jeden Fall wird er sie zurückfordern, denn es besteht offenbar ein Vertrag mit Doña Agnès. Ein Vertrag, wie immer dieser lauten mag.“
„Nun, dann müssen wir Alix eben versteckt halten oder sie verheiraten, so schnell es nur geht“, warf der Trencavel ein.
„Nicht Ihr, mein Freund! Seid klug und ersucht Pedro um einen ihrem Stand angemessenen Bräutigam. Er wird Euch Euren Wunsch nicht abschlagen, schließlich handelt es sich um die Stiefschwester seiner zukünftigen Gemahlin Marie. Und Pedros Wort zählt in Rom, es zählt! Wenn er Alix mit einem seiner Edelleute verheiratet, sind dem Erzbischof die Hände gebunden - erst dann ist die arme Frau in Sicherheit.“
32.
Wie eine Schildkröte aus ihrer Schale hervorsieht, steckte der kleine Miquel in immer kürzer werdenden Abständen den Kopf aus dem Verschlag. „Nichts“, sagte er jedes Mal enttäuscht zu Villaine und Fünfei, wenn diese ihn an den Füßen zurückzogen. „Alles ruhig im Turm. Pelfort hat recht, die Frau wird die Dunkelheit abwarten. Heiliger Ezechiel, wenn es ihr überhaupt gelingt!“
„Überhaup …ling, überhaup ling“, wiederholte der Bucklige und wiegte zweifelnd den Kopf. Er saß im Schneidersitz auf dem Boden, in mehreren Wülsten hing sein fetter Bauch über den Bund der dreckigen Maurenhose, die früher einmal rot gewesen sein musste. „Bossu, Bossu“, sagte er wieder und immer wieder. Die Spielleute konnten es schon nicht mehr hören.
„Einem Narren braucht man wahrlich keine Schellen umzuhängen“, stieß Villaine leise hervor und stöhnte. Miquel kicherte und Fünfei rollte mit den Augen.
Den Buckligen hingegen schien es nur wenig zu stören, dass die anderen ihn verspotteten. Nur manchmal, wenn es jemand zu bunt trieb, wurde er giftig. In der Nacht zuvor hatte er sie, auf Pelforts Bitte hin, zuerst durch einige verwinkelte Gassen gelotst, dann in ein verfallendes Haus gebracht und von dort, über eine Leiter, in einen unterirdischen Gang, von dem aus sie in gebückter Haltung - vermutlich unter dem Ringgraben hindurch - in den Burgbereich gelangt waren. Drüben waren sie auf derselben wackligen Leiter, die sie mitgenommen hatten, wieder nach oben geklettert, wo der Bucklige vorsichtig eine Falltür aufgestoßen hatte. Seitdem saßen sie zu viert in einem nach Schafskötteln und Mausdreck stinkenden Schuppen, an dessen Tür sich, im unteren Bereich, die bereits erwähnte Klappe befand, die nach außen, zum Burghof hin, aufgestoßen werden konnte.
War die Fähigkeit des Buckligen zu sprechen, auch begrenzt, schien er dennoch alles zu verstehen. Dumm war er nicht.
Pelfort hatte ihnen erklärt, dass sich der Bossu – so rief man ihn in Cahors tatsächlich - zu den Katharern zählte, weil er sein körperliches Gebrechen als Strafe ansah für eine Tat, die er in einem vergangenen Leben begangen hatte. Er sei sogar des Lesens und Schreibens mächtig, wobei niemand wisse, wer
Weitere Kostenlose Bücher