Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
weigerte sich vehement, seinen Ausguck zu verlassen.
„Hab ich es nicht gleich gesagt, Villaine, dass dieser verrückte Plan nicht gutgehen kann?“ Villaine antwortete nicht. Fünfei sah immer Schwarz … Aber was, wenn er ausnahmsweise recht hatte? War dem Buckligen zu trauen? Gauner gab es viele, sowohl unter den Hochgeborenen als auch unter solchen, die aus der Not heraus bettelten. Es gab üble Suppenfresser und Schmalzbettler, die von einem Heiligen zum anderen zogen, Hut und Mantel voller Pilgerzeichen. Dann die Schlepper, welche zu Allerseelen Kinder entliehen, um sich mit ihnen halbnackt vor die Kirchen zu setzen, obwohl sie ihre Kleidung in der Herberge hatten; andere machten die Kleinen gar zu Krüppeln, um Mitleid zu erregen. Die Glatten nicht zu vergessen, die sich eine Platte scheren ließen, Almosen heischend, weil der Weg nach Rom so weit war. Villaine seufzte ... Und was war mit den elenden Stirnstoßern, die mit falschen Heiligtümern die Bauern segneten und angeblich für die Kirchen bettelten? Nicht wenige behaupteten, es fehle ihnen der Schenkel, der Fuß, die Hand, oder das Antoniusfeuer hätte sie über Nacht heimgesucht … Hatte er nicht einmal einen beobachtet, in Carcassonne, wie er plötzlich die Krücke fortgeworfen hatte und behände geflohen war?
Villaine hätte sich ohrfeigen mögen! Die Frau besaß ein wertvolles smaragdbesetztes Schmuckstück, wie die Jüdin behauptete, und er, ausgerechnet er, schickte ihr diese diebische Kreatur auf den Hals!
Der Mond stand schon hoch am Himmel, als es endlich an der Tür kratzte.
„Gomm, Gomm“, rief der Bossu leise und legte den Finger auf den Mund. Sich mehrmals umsehend, führte er die Spielleute auf einen kleinen Hof, ganz in ihrer Nähe.
Alle Zweifel, ob ihr Vorhaben gelingen könnte oder nicht, waren beseitigt. Endlich hatte Alix dem Schicksalsrad einen kräftigen Schubs gegeben. Aus den Augenwinkeln hatte sie beobachtet, wie sich der Novize an sie heranschlich, um sie nicht zu erschrecken. Das Gewand, das er sich vor die Nase hielt, musste er in den Wasserkübel getaucht haben. Es tropfte. Martin tat ihr leid. Der Ärmste konnte nicht ahnen, dass sie schwindelfrei war und sich obendrein nur zu gerne von ihm „retten“ ließ, denn genau das sah ihr Plan vor.
Und schon packte er sie mit fester Hand und zog sie von der Zinne.
„Rasch, kommt, bevor das Feuer sich ausbreitet“, rief er, bevor ihn ein erneuter Hustenschauer schüttelte. Als Alix bemerkte, dass aus dem Magdalenenzimmer tiefschwarzer, beißender Qualm drang, bekam sie es plötzlich selbst mit der Angst zu tun. Was, wenn sie es nicht nach unten schafften?
„Wem der Teufel einheizt, den friert nicht“, brachte sie gerade noch heraus - einen der Sätze, die sie sich tags zuvor ausgedacht hatte -, dann wurde auch sie von wahren Hustenstürmen geschüttelt, ja, sie schnappte sich sogar, was nun wirklich nicht einstudiert war, ein Stück von dem nassen Gewand, um es sich vor die Nase zu halten, denn sie glaubte ersticken zu müssen und rang heftig nach Luft.
Die Knechte, die im Magdalenenzimmer bereits am Löschen waren, vom Ruß schwarz im Gesicht und ebenfalls hustend, starrten sie bitterböse an, als Martin sie an ihnen vorüberschleppte, einer drohte ihr gar mit den Fäusten.
„Lasst sie in Ruhe“, keuchte der Novize. Obwohl körperlich viel schwächer als Rashid, ließ er es sich nicht nehmen, sie auf dem Rücken an der Wasserkette vorbei, bis hinunter vor Sicards Gemach zu tragen, wobei Alix insgeheim die Stufen zählte.
Auf den letzten angekommen, begann sie erneut das Tedeum zu singen:
„ Sanctus , Sanctus …“ Heraus kam jedoch nur ein wildes Krächzen. Von einer „engelsgleichen Stimme“, wie Inés einst gemeint hatte, konnte keine Rede mehr sein. Dieser beißende Qualm ...
Sicards Gemach stand weit offen. Der Bischof saß wie ein lebendes Skelett in einem Lehnstuhl, und umklammerte mit Spinnenhänden seine Schatztruhe. Als Martin mit der singenden Alix auf dem Rücken eintrat, waren der Priester und ein weiterer Novize gerade dabei, die wertvollen Gewänder und andere Habseligkeiten zusammenzupacken.
„Greift das Feuer weiter um sich?“, fragte Sicard, mit vor Angst aufgerissenen Augen.
„Nein, nein, Euer Bischöfliche Gnaden!“ Martin keuchte. „Die Gefahr ist vorüber, das Feuer fast vollständig gelöscht. Aber ich kann die Herrin bald nicht mehr halten, seht doch, sie ist toll geworden. Sie rast! Wohin mit ihr?“
„Sanctus, sanctus
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