Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
sich, las. Jäh hielt er inne, schüttelte entsetzt den Kopf, las erneut. „Grundgütiger Himmel!“, rief er aus, als er das Pergament dem Schuster weiterreichte. „Lest! Sie muss verrückt geworden sein!“
Der Schuster war des Lesens nicht mächtig. Er hielt die Botschaft seinem Schwager unter die Nase. Auch der Katharer erbleichte, als er die Nachricht begriff. Seine Lippen waren ein einziger dünner Strich. „Was muss die arme Frau gelitten haben, dass sie sich so etwas ausdenkt! Der Erzbischof ist wahrlich der Drache mit den sieben Schwänzen, die wie Kometenschweife sind“, stieß er hervor, „wer es mit ihm aufnehmen will, braucht Mut und Entschlossenheit. Ihr müsst bereitstehen, Spielmann, wenn es so weit ist, und ich verspreche, Euch zu helfen. Nicht wenige unserer Leute arbeiten im Turmbereich, einige in den Ställen, andere sogar in der Küche, wobei natürlich niemand weiß, dass sie katharischen Glaubens sind, sonst wären sie des Todes. Also, ich werde dafür sorgen, dass Ihr rechtzeitig in den Burgbereich gelangt. Es gibt dort Verstecke. Falls man Euch vorzeitig entdeckt … nun, dann werden wir schon einen Weg finden, Euch dort wieder herauszulotsen. Das Hauptproblem sind nach wie vor die Wachsoldaten am Stadttor. Sie gelten als absolut unbestechlich, prüfen jeden gründlich, der ein- oder ausreist. Ihr könnt die Frau also nicht ohne weiteres als Eure Begleitung ausgeben, Meister Villaine. Wenn ihre Flucht erst einmal bekannt ist, sowieso nicht. Wir müssen einen anderen Plan schmieden …“
Der Spielmann zuckte die Achseln. „Als Gott die Zeit machte, hat er genug davon gemacht. Uns wird schon etwas einfallen. Wie weit von hier liegt denn diese Höhle entfernt, von der die Jüdin Esther sprach?“
„Ihr meint die Pech Merle? Nun, der Eingang befindet sich zwischen den Flüssen Sagne und Célé, direkt am Berg. Doch erzählt man sich, dass es dort Wesen geben soll, wie sie in der Apokalypse beschrieben werden.“ Er zitierte: „Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie eines Löwen Rachen ...“
Die Schusterin schrie entsetzt auf und hielt sich die Hand vor den Mund. „Das dreigestaltige Tier?“
Pelfort warf ihr einen strengen Blick zu. „Es ist so“, sagte er zu Villaine. „Freiwillig geht dort keiner hin!“
„Bah! Gegen wilde Tiere helfen Fackeln. Die Höhle wäre wenigstens so lange ein geeignetes Versteck, bis sich die Aufregung über das Verschwinden der Frau gelegt hat. Denn was nützt es uns, die Wachen überlistet zu haben, wenn man uns kurz darauf einen Trupp bewaffneter Reiter hinterherschickt!“
„Stimmt. Aber erst einmal müsst Ihr mit der armen Frau zur Pech Merle kommen!“
„Eines nach dem anderen, guter Mann. Geduld ist die Tugend der Esel. Und nun holt rasch Euer Schreibzeug, Pelfort!“
Die Zunge des Spielmanns huschte von einem Mundwinkel zum anderen, als er die Antwort an Alix aufsetzte. Nachdem die Tinte getrocknet war, rollte er das Pergament ein und erbat sich vom Schuster neues Werg.
31.
Jeden Morgen seit der Abreise der Spielleute, wachte Inés mit bangem Herzen auf, und ihr erster Gedanke galt Alix. Was, wenn die Sache schiefging, wenn der Cahors dahinterkam, wer die Leute geschickt hatte? Und nun war auch noch Raymond-Roger auf dringenden Wunsch von Esclarmonde nach Foix geritten, obwohl er wahrlich genug Probleme in seinen eigenen Ländereien hatte, ja, selbst in der Stadt, nachdem sich durch die Reihen der Burgvögte ein tiefer Riss zog, wie er ihr erzählt hatte. Plötzlich widersetzten sich Vögte dem geplanten Ausbau der Verteidigungsanlagen, auch ihre eigenen Burgen sahen sie nicht mehr gefährdet. Sie seien katholisch, sagten sie, ihnen könne nichts geschehen.
„Vasallen haben den Herren zu dienen“, hatte ihr Raymond-Roger erklärt, „diese wiederum schützen die Vasallen. Verletzt eine Seite ihre Pflicht, ist auch die andere nicht mehr an ihren Eid gebunden. Bislang war meine Herrschaft auf die Liebe und Treupflicht meiner Gefolgschaft gegründet, nicht auf Gehorsam oder Furcht. Doch es scheint, die Zeiten ändern sich ...“ Er hatte ihr von Otho von Mirepoix erzählt, der seine Leute aufhetzte und dessen Tonfall immer unverschämter wurde. Selbst der Oheim sei dafür, ihn aus der Stadt zu jagen, auch wenn dies die Phalanx der anderen Seite stärke. Die überwiegende Mehrheit der Vögte jedoch, hätte sich nicht dazu durchringen können. Es fehle der handfeste
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